Lieber Thomas, 

du bist Projektleiter des Regionalen Zukunftszentrum Süd, das die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg umfasst. Ähnlich wie das RZ Nord habt ihr ein sehr großes Einzugsgebiet. Wir sind sehr gespannt, wie ihr diese Herausforderung meistert. Vielen Dank Thomas, dass auch du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Beginnen wir mit deiner Ausbildung. 

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1. Zu Deiner Person:  Was ist Deine berufliche Profession? Und was reizt dich an dem Aufbau des RZ Süd? 

Thomas Schley: Meine Profession ist die Berufsbildung und die empirische Berufsbildungsforschung. Meine eigene Ausbildungserfahrung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel hatte mich bewogen, über den zweiten Bildungsweg ein Hochschulstudium zu absolvieren, um die Aus- und Weiterbildung in Deutschland mit zu verbessern. Ursprünglich mit der Idee, mit meinem Abschluss zum Diplom-Handelslehrer Berufsschullehrer zu werden, hatte mich mein zusätzliches Studium der Erwachsenenbildung und Weiterbildung sowie Erfahrungen in der betrieblichen Bildung dazu bewogen, eher diesen Fokus weiter zu vertiefen. Seitdem unterstütze ich wissenschaftsbasiert die Weiterentwicklung und Innovation der Berufsbildung sowie die Transformationsprozesse in der Arbeitswelt.
Ich beschäftige mich selbst schon lange mit Innovationen, Transformation- und Change-Prozessen sowie der Fachkräfteentwicklung und habe in meiner eigenen Berufslaufbahn selbst einige technologische Veränderungen als Beschäftigter mitgemacht. Deshalb weiß ich, wie wertvoll menschenzentrierte Organisationsentwicklung gepaart mit beruflicher Weiterbildung sind, um Veränderungsprozesse erfolgreich zu meistern. (Ganz besonders wichtig ist es mir dabei, dass die Bedeutung der eigenen unternehmerischen Gestaltungskompetenz erkannt und gefördert wird, dass alle Beschäftigten im Prozesse mitgenommen werden und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen im digitalen Wandel begleitet werden. Alles das und einiges mehr bietet das Zukunftszentrum Süd.

2. Region: Was zeichnet den Standort Süddeutschland aus? 

Thomas Schley:  Die beiden Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg zeichnen sich durch Vielfalt, Komplexität und einem großen Innovationspotenzial aus. Einerseits gibt es Metropolregionen wie München, Nürnberg, Stuttgart oder die Region Rhein-Neckar. Diese Regionen sind wichtige Wirtschaftszentren mit einer hohen Konzentration an Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Süddeutschland verfügt über eine starke digitale Infrastruktur, obwohl es in ländlichen Gebieten immer noch Herausforderungen, bspw. in Bezug auf Mobilität und Breitbandausbau gibt. Süddeutschland ist Heimat vieler starker Wirtschaftssektoren, darunter Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau und Automotive, Informations-, Kommunikations- und Elektrotechnik, aber auch Bildung, Forschung und Entwicklung. Die Region beherbergt zahlreiche renommierte Hochschulen, Forschungsinstitute und Technologiezentren, die nicht nur exzellente Ausbildungsmöglichkeiten bieten, sondern auch Kooperationen für Projekte und den Transfer von Wissen in die Wirtschaft und Zugänge zu zahlreichen Demonstratoren ermöglichen, was gerade für die Schwerpunkte Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit wichtig ist. Es gibt zahlreiche Netzwerke und Cluster, die sich auf Digitalisierung und KI spezialisiert haben und den Austausch zwischen Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen fördern. KMUs erhalten ein reichhaltiges Angebot an Förderung, Beratung und Begleitung. Die verschiedenen Initiativen sind gut vernetzt, so dass neben der Verweisberatung auch Synergien in der Kombination von Angeboten möglich werden. 

2.1. Wow! Das macht die Entscheidung wirklich schwer, ob man lieber in Nord- oder Süddeutschland als Fachkraft Fuß fassen möchte. Und auch bei dir die Nachfrage: Von welchen Regionen möchtet ihr mehr lernen? Oder bestehen bereits Kooperationen mit andern Zukunftszentren oder Programmen? 

Thomas Schley: Wir intensivieren gerade unsere Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern in Bayern und Baden-Württemberg, insbesondere mit den Mittelstands Digitalzentren und den Kompetenzzenten für Arbeitsforschung sowie verschiedenen KI Hubs. Ziel ist es, die unterschiedlichen Expertisen und Angebote synergetische zu kombinieren, um für KMUs ein möglichst umfassendes Angebot bieten zu können. Für Oktober ist bspw. eine große gemeinsame Veranstaltung mit einem Mittelstand Digitalzentrum in Stuttgart geplant. Die zentrale Jahrestagung des Zukunftszentrum Süd findet im September in Heilbronn statt. In Heilbronn und Umgebung entsteht gerade eine innovative KI-Community, in die wir uns einbringen möchten. Auch in Bayern gibt es vergleichbare Regionen bspw. in Augsburg oder Ingolstadt.

3. Innovative Qualifizierungskonzepte (IQKs): Lieber Thomas, alle Regionalen Zukunftszentren entwickeln eigene Qualifizierungsbausteine. Gibt es eine IQK auf die ihr besonders stolz seid?  

Thomas Schley:  Bei Unternehmen kommen insbesondere Qualifizierungskonzepte an, die handlungsorientiert und an konkreten unternehmensbezogenen Beispielen arbeiten. 
Unser KI-Planspiel bspw. ist sehr beliebt. Im Planspiel nehmen die Teilnehmer eine aktive Rolle ein und tragen zur Implementierung eines KI-Systems in einem fiktiven Unternehmen bei. Sie durchlaufen die drei Phasen KI erleben, KI auswählen und KI Implementieren. Teilnehmende erhalten einen Einblick in die Phasen und Herausforderungen, die bei der Ideation und Einführung von KI-Anwendungen zu erwarten sind. Sie lernen und nutzen praxiserprobte Methoden aus der KI-Beratung und erhalten damit “Werkzeuge”, um die digitale Transformation im eigenen Unternehmen voranzutreiben. Die gewonnenen Einblicke und Erfahrungen stärken auch das Selbstbewusstsein in Sachen KI und machen deutlich, warum die Beteiligung unterschiedlicher Beschäftigtengruppen zwingend erforderlich und bereichernd ist. (Aktuell prüfen wir auch, wie wir unser Qualifizierungskonzept zum Thema „Digitale Resilienz“ um ein Kartenspiel zur digitalen Achtsamkeit erweitern können, um uns wiederum spielerisch und humorvoll einen wichtigen und zunehmend belastenden Thema widmen können.

Ein weiteres Beispiel ist die „Spezialantriebstechnik GmbH“ aus Hartha. Wir halfen dem Unternehmen, ein digitales Dokumenten-Managementsystem zu implementieren, um Prozesse zu vereinfachen und Fachwissen zu zentralisieren.)

Fazit: Wenn wir mit den Unternehmen arbeiten, ist uns besonders wichtig, alle Mitarbeiter*innen von Anfang an einzubeziehen, denn sie sind es, die den digitalen Wandel aktiv gestalten.  

3.2 IQK: Was genau sind die Innovationen bei euren Qualifizierungsbausteinen?  

Thomas Schley: Das innovative an den Konzepten ist, dass wir auf konkrete uns authentische Erlebnisse setzen, die über Reflexionen zu nachhaltigen Erfahrungen werden. Durch diese Art des Lernens werden Transferhürden minimiert, da das gelernte leichter auf die individuelle Unternehmenspraxis anwendbar ist. In Kombination mit einer vertieften Beratung bspw. im Sine einer Transferbegleitung entstehen wegweisende Veränderungen in Unternehmen. Ferner verbinden wir durch unsere Konzepte die Stärken von digitalem und analogem Lernen sowie den Fokus auf Mensch, Organisation und Technologie und deren Zusammenspiel. Unsere Qualifizierungskonzepte sind zudem so konzipiert und werden in dieser Hinsicht weiterentwickelt, dass sie sich modular auf die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens anpassen lassen. 

4. Schlüsselkompetenzen: Zum Abschluss möchten wir gerne von dir wissen, was sind nach deiner Einschätzung die zwei wichtigsten Schlüsselkompetenzen der Zukunft?

Thomas Schley: Berufliche Handlungs- und Problemlösungskompetenzen bleiben aus meiner Sicht die zentralen Kompetenzen für die Gestaltung der Zukunft. In der Arbeitswelt von heute und morgen kommt es darauf an, mit Unvorhergesehenem umgehen zu können, kooperativ und kollaborativ nachhaltige Lösungen für komplexe Herausforderungen zu entwickeln und in der täglichen Praxis lebensbegleitend zu lernen. Neben dem Können ist aber auch das Wollen entscheidend. Wichtig sind Offenheit, Neugier und Interesse für Neues, lösungsorientiertes und spielerisches Vorgehen sowie der Mut, Lern- und Experimentierräume zu schaffen und zu nutzen.

Lieber Thomas, wir danken dir sehr für die spannenden Einblicke in die Welt des Lernens und in die Region und wünschen euch weiterhin viel Erfolg!