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Wissenspool-Beitrag

KI beschäftigtenorientiert gestalten: Ansätze für Mitbestimmung und Management

Ein Beitrag im Rahmen des KI-Observatoriums des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
12.11.2024
Lesezeit: ca. 14 min
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Management und Betriebsrat verhandeln in Unternehmen darüber, wie das Potenzial von KI mit den Bedürfnissen der Beschäftigten in Einklang gebracht werden kann. Die Mitbestimmung von KI ist jedoch von Herausforderungen und Unsicherheiten begleitet. Wie KI im Sinne der Beschäftigten gestaltet werden kann, hat das Projekt „Künstliche Intelligenz und Wissensarbeit” (KIWI) beleuchtet.

Anwendungen auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) haben eine intensive, kritische Diskussion mit Befürchtungen und Hoffnungen in Bezug auf ihren Einsatz in der Arbeitswelt ausgelöst. Untersuchungen zeigen das Potential von Effizienzsteigerung und Vermeidung repetitiver Aufgaben, während andere die Gefahr von Arbeitsplatzverlusten oder ethischen Herausforderungen sehen. Das Projekt „Künstliche Intelligenz und Wissensarbeit” (KIWI) hat von 2019 bis 2022 den KI-Einsatz am Arbeitsplatz von Wissensarbeiter*innen in Deutschland untersucht. Dabei hat das Team nicht nur analysiert, wie eine beschäftigtenorientierte Gestaltung von KI durch das Management gelingt, sondern auch welche Verhandlungsansätze dem Betriebsrat zur Verfügung stehen. Denn Management und Betriebsrat verhandeln gemeinsam darüber, wie Unternehmen von den Möglichkeiten von KI profitieren und gleichzeitig die Bedürfnisse von Beschäftigten berücksichtigen können. Hierzu hat das Projekt praktische Arbeitshilfen entwickelt, die Unternehmen bei der Umsetzung von KI-Projekten unterstützen sollen. Das Online-Workshop-Modul „KI in der Arbeitswelt“ schafft einen Rahmen, um die Auswirkungen von KI in der Arbeitswelt mit relevanten Stakeholdern zu reflektieren und diese für eine beschäftigtenorientierte Gestaltung zu sensibilisieren. Das Handbuch „KI in der Wissensarbeit“ zeigt Handlungsfelder dafür auf und richtet sich an Management und Betriebsrat.

KI verändert Wissensarbeit

Ob für die Übersetzung und Untertitelung journalistischer Beiträge, Katalogisierung wissenschaftlicher Publikationen oder automatisierte Auswertung von betrieblichen Verbesserungsvorschlägen: Die Einsatzmöglichkeiten von KI in der Wissensarbeit sind vielseitig. Im Verlauf des KIWI-Projekts hat sich gezeigt, dass es zwei wesentliche Einsatzszenarien für KI in der Wissensarbeit gibt: Augmentation und Automation. Eine Augmentation beinhaltet, dass Menschen eng mit Maschinen bei der Ausführung einer Tätigkeit zusammenarbeiten. Bei einer Automation übernimmt die Maschine eine menschliche Tätigkeit. Die Auswirkungen, die Wissensarbeiter*innen dabei wahrnehmen, umfassen eine Verschiebung von mechanischen und repetitiven Tätigkeiten hin zu Tätigkeiten, die Denken und Fühlen erfordern, die Entstehung neuer Tätigkeiten und Rollen sowie die Entstehung neuer Fähigkeitsanforderungen.

„Im Rahmen der Entwicklung und des Einsatzes von KI-Systemen in der Arbeitswelt entstehen vielfältige neue Rollen und Tätigkeiten – nicht nur für Programmierer*innen.”

KIWI-Forscher Dr. Georg von Richthofen

Verhandlungen unter Unsicherheit und Komplexität: die Perspektive des Betriebsrats

Die Auswirkungen von KI auf Arbeitsbedingungen können vielfältig sein. Unternehmen, die KI-Systeme einführen möchten, sollten diese daher nicht nur auf ihren wirtschaftlichen Nutzen, sondern insbesondere auch mit Blick auf die Interessen der Beschäftigten evaluieren. Betriebsräten kommt dabei eine wichtige Rolle zu, jedoch stellt die Einführung von KI diese auch vor Herausforderungen. KI ist für Beschäftigte häufig unsichtbar, schwer durchschaubar und die konkreten Auswirkungen für Beschäftigte sind schwer abzuschätzen. Auch die Abgrenzung von KI fällt in den Verhandlungen schwer: Wo beginnt KI und wo hört sie auf? Wie können globale KI-Projekte in Deutschland verhandelt werden? Eine weitere Unsicherheit besteht darüber, inwieweit KI Beschäftigte ent- oder belastet, inwieweit sie beispielsweise zu Arbeitserleichterung oder Arbeitsverdichtung führt. KI wird dabei gleichzeitig als Risiko für Beschäftigte und als notwendig für die Wettbewerbsfähigkeit betrachtet.

Um KI trotz dieser Herausforderungen zu verhandeln, bauen Betriebsräte zunächst ein grundlegendes Verständnis von KI und seinen potenziellen Auswirkungen auf. In dieser Auseinandersetzung entwickeln sie übergreifende Ziele für die Zukunft der Arbeit mit KI, z. B. in Form ethischer Leitlinien oder Prinzipien. Gleichzeitig vernetzen Betriebsräte sich hierzu intern und extern, indem sie zum Beispiel Beschäftigte mit technischer Expertise oder aus dem betroffenen Arbeitsfeld direkt einbinden. Auch die Vernetzung mit anderen Betriebsrät*innen oder Forscher*innen ist hierbei wichtig. Die betrieblichen Verhandlungen erfordern eine Flexibilisierung bei gleichzeitiger Systematisierung. Flexibilisierung umfasst z. B. Pilotprojekte, in denen KI in einem kleinen und klar definierten Rahmen getestet wird, oder prozessorientierte Betriebsvereinbarungen, die die Regelung der Nutzungsprozesse von KI-Systemen in den Vordergrund stellen, anstatt technische Details zu betonen. Systematisierung hingegen meint z. B. Ampelsysteme, die zentrale Prüfkriterien zur Einordnung und Klassifizierung von KI-Systemen bieten, oder KI-Projektsteckbriefe, die zentrale Eckpunkte von KI-Vorhaben in standardisierter Form aufbereiten. Auch neue Institutionen wie KI-Ethikräte oder KI-Kommissionen helfen dabei, KI-Einführungen strukturiert zu verhandeln.

„Der zunehmende Einsatz von KI-Systemen verändert nicht nur die Arbeit von Beschäftigten, sondern auch die ihrer Interessenvertreter*innen, und stellt somit neue Anforderungen an Mitbestimmung.”

KIWI-Forscherin Sonja Köhne

Mitbestimmung ermöglichen: Ansätze für das Management 

Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI in der Wissensarbeit, die im Rahmen des KIWI-Projekts untersucht wurden, zeigen, dass gute Arbeit trotz oder gerade durch KI möglich ist. Worauf es ankommt, ist die Ausgestaltung von KI-Projekten, die in Unternehmen zwischen Management und Arbeitnehmer*innenvertretungen verhandelt wird. Eine beschäftigtenorientierte Gestaltung von KI kann dann gelingen, wenn das Management Beschäftigte und ihre Vertreter*innen zunächst umfassend über KI als Technologie informiert. Dazu gehört auch, ihre aktuellen und potenziellen Einsatzmöglichkeiten innerhalb des eigenen Unternehmens zu veranschaulichen und in einen größeren Bedeutungszusammenhang zu stellen. Ein offener Dialog mit Arbeitnehmer*innenvertretungen über die Ziele der KI-Implementierung ermöglicht es, eine gemeinsame Vision für den KI-Einsatz zu entwickeln. In diesen Dialog können auch externe Expert*innen wie Forscher*innen einbezogen werden, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Wenn das Management Beschäftigte und ihre Vertreter*innen befähigt, die Grundlagen von KI-Systemen verstehen zu können, ermöglicht es Verhandlungen mit informierten und kompetenten Partner*innen. Schließlich ist im Rahmen einer KI-Einführung eine frühzeitige und umfassende Beteiligung von Beschäftigten und ihren Vertreter*innen von großer Bedeutung. Sie sollten bereits an der Identifizierung von Anwendungsfällen beteiligt und ihr Wissen effektiv in den Entwicklungsprozess integriert werden. Das Management sollte Zeit für solche Verhandlungsprozesse in KI-Projektplänen kalkulieren und Betriebsräte von Beginn an einbeziehen. So wird auch eine bessere Planbarkeit und höhere Akzeptanz in der Belegschaft ermöglicht, die maßgeblich zum Erfolg von KI-Projekten beiträgt.

„Viele KI-Anwendungen haben inzwischen beeindruckende Fähigkeiten. Es liegt an uns, diese so zu gestalten und einzusetzen, dass sie unser Arbeitsleben damit besser und nicht schlechter machen.”

KIWI-Forscher Prof. Dr. Hendrik Send

Mitbestimmung als Grundlage für eine gerechte Arbeit mit KI

Die Verhandlung und Mitbestimmung von KI ist eine herausfordernde Aufgabe, die von vielen Unsicherheiten begleitet wird. Dennoch haben Arbeitnehmer*innenvertretungen Wege gefunden, mit dieser Komplexität umzugehen. Es geht bei der Verhandlung von KI nicht nur darum, schnell technische Fähigkeiten im Betriebsrat aufzubauen. Vielmehr organisieren sich Betriebsräte so, dass sie Ambiguität zulassen, gleichzeitig Flexibilität und Struktur schaffen und einen offenen Dialog sowie umfassende Beteiligung ermöglichen. Es bedarf nicht nur ausreichender Rechte, sondern auch der notwendigen Ressourcen, um einer Überforderung von Betriebsräten entgegenzuwirken. Sie müssen in der Lage sein, sich wirksam für die Interessen der Beschäftigten einzusetzen und diese mit den Möglichkeiten von KI in Einklang zu bringen. Eine enge Beteiligung von Beschäftigten und ihren Vertreter*innen ist die Grundlage für eine gerechte und zukunftsorientierte Arbeit mit KI. Werden ihre Bedürfnisse nicht berücksichtigt, finden Beschäftigte Wege, sich individuell oder kollektiv gegen den KI-Einsatz zu wehren.

Das Online-Workshop-Modul und das Handbuch „KI in der Wissensarbeit“ sollen Praktiker*innen eine Grundlage bieten, sich mit den Auswirkungen von KI und den Möglichkeiten einer beschäftigtenorientierten Gestaltung auseinanderzusetzen. Es bedarf jedoch weiterer empirischer Einblicke in die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt. Im Zeitraum der Projektdurchführung kam KI noch sehr begrenzt in der Wissensarbeit zum Einsatz und es konnten sich in der Regel nur große Konzerne leisten, die Technologie sinnvoll einzusetzen. Mit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 hat sich dies grundlegend geändert. So könnten Beschäftigte KI nun flexibel für unterschiedlichste Tätigkeiten einsetzen. Damit einhergeht ein weiterer Bedarf an empirischer Forschung, dem die Forscher*innen seit April 2024 in dem Projekt „Generative KI in der Arbeitswelt” (GENKIA) nachgehen.

In diesen Beitrag sind Erkenntnisse aus Projekten eingeflossen, für die die Autor*innen Förderung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Hans-Böckler-Stiftung erhalten haben.

Das Projekt „Künstliche Intelligenz un Wissensarbeit (KIWI)“ wird im Rahmen des KI-Observatoriums der Abteilung Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert.

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