KI-Potenziale in KMU: Welche Anwendungen sind vielversprechend?
Der nachfolgende Artikel stellt die Ergebnisse einer Online-Studie dar, in welcher untersucht wurde, welche KI-Potenziale die Mitarbeitenden in verschiedenen Berufsgruppen innerhalb deutscher klein- und mittelständischer Unternehmen (KMU) in ihren Aufgabenfeldern sehen. Dabei wurde auch der aktuelle Stand hinsichtlich der KI-Einführung und KI-Erfahrung in deutschen KMU betrachtet. Dieser Beitrag ist der erste Teil einer Studienreihe des Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart, um den Wissenspool mit aktuellen Themen zu erweitern.
Zusammenfassung
- 458 Beschäftigte deutscher KMU (alle Bundesländer) aus 9 häufigen Berufsfeldern füllten einen Online-Fragebogen zu KI-Potenzialen an ihrem Arbeitsplatz aus.
- Die generellen Einstellungen zu KI zeigen sich unterschiedlich zwischen den Berufsgruppen, es überwiegen jedoch interindividuelle Unterschiede (große Varianzen).
- Die vielversprechendsten KI-Potenziale ergeben sich in den Tätigkeiten Buchhaltung (Berufsgruppe: Rechnungswesen, Controlling & Revision), Kundenberatung (Berufsgruppe: Kundenmanagement) und Kapazitätsplanung (Berufsgruppe: Technische Produktionsplanung und -steuerung)
- Die 5 tendenziell am häufigsten genannten Hemmnisse bei der KI-Einführung beziehen sich auf mangelnde Qualifikationen, fehlendes Fachwissen, geringe Reife der KI-Anwendungen, Datenschutz bzw. rechtliche Aspekte, sowie die Integration in die Geschäftsprozesse.
- Die Ergebnisse helfen deutschen KMU dabei, KI-Potenziale im eigenen Unternehmen zu identifizieren und die KI-Einführung für besonders erfolgversprechende Tätigkeitsbereiche voranzubringen.
Einleitung
Mit der Einführung von chatGPT im Jahr 2022 wurde ein bedeutender Meilenstein in der Interaktion mit KI erreicht, was bewirkte, dass KI mittlerweile auch in zahlreichen Anwendungen in der Arbeitswelt genutzt wird. Generell kann der Einsatz von KI verschiedene Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben. Routinetätigkeiten können durch den Einsatz von KI unterstützt oder übernommen werden, was dazu führen kann, dass wissensbasierte Tätigkeiten an Bedeutung gewinnen (Braun et al., 2013). Diese Form der KI-basierten Assistenten erschließt Beschäftigten mehr Zeit für primäre Aufgaben, sowie die Möglichkeit den Fokus verstärkt auf kreative, anspruchsvolle Arbeiten zu setzen und monotone oder sogar gefährliche Arbeiten der KI zu überlassen (European Agency for Safety and Health at work, 2023). Eine aktuelle Literaturrecherche zeigt, dass KI bisher überwiegend in den Branchen Informations- und Kommunikationstechnologie, Finanzdienstleistungen, Unternehmensnahe Dienstleistungen, sowie Elektrotechnik und Maschinenbau eingesetzt wird. Vor allem in Anwendungsbereichen wie der Automatisierung von Prozessen, Datenanalyse, Dienstleistungen und Kundenkommunikation kommt KI bereits zum Einsatz (Rammer et al., 2020).
Trotz dieser weitreichenden Anwendungen ist der Einsatz von KI häufig auf große Unternehmen beschränkt, da kleine und mittelständische Unternehmen oft vor besonderen Hürden und Herausforderungen stehen. So zeigte eine Analyse deutscher KMU, dass generell ein ausgeprägtes Interesse an der KI-Einführung besteht, jedoch Hürden wie fehlendes Vorwissen oder unzureichende digitale Infrastruktur bei mehr als der Hälfte der beratenden KMU einer KI-Einführung im Wege standen (Ludwig et al., 2023). Auch in der Literatur werden KI-Potenziale in der deutschen Wirtschaft meist auf die Gesamtwirtschaft bezogen betrachtet und weniger auf KMU. Es existieren diverse Leitfäden und vergleichbare Instrumente für die Einführung von KI im Arbeitsumfeld; im Regelfall basieren diese jedoch nicht auf empirischen Studien, sondern auf Expertenwissen. Befragungen, welche die Anwendenden in verschiedenen Berufsgruppen und speziell KMU bundesweit berücksichtigen und deren KI-Potenziale und Hürden bei der KI-Einführung betrachten, konnten bei der Recherche nicht gefunden werden.
Zielstellung der Befragung
Um die bereits genannten Wissenslücken zu schließen, wurden besonders relevante Berufsgruppen deutscher KMU definiert und im Rahmen einer Onlinebefragung dabei die folgenden Fragestellungen adressiert:
- Welche KI-Potenziale sehen Beschäftigte in KMU, die den ausgewählten Berufsgruppen angehören? Welche davon sind besonders vielversprechend, da sie die Beschäftigten am besten entlasten oder sich besonders positiv auf die Produktivität auswirken?
- Welche Hemmnisse sehen diese Beschäftigten beim Erschließen dieser Potenziale? Sind die genannten Hemmnisse berufs- bzw. anwendungsfeldspezifisch, oder sind für bestimmte Berufsgruppen gezielte Maßnahmen erforderlich, um den KI-Einsatz zu fördern?
Methodik
Zielgruppe
Die Onlinebefragung richtete sich analog zur Zielgruppe der regionalen Zukunftszentren in Deutschland an Arbeitnehmende aus Berufs(unter)gruppen von kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Als Kleinstunternehmen wurden hierbei Unternehmen mit 2-9 Mitarbeitenden definiert, als „klein“ galten Unternehmen mit 10-49 tätigen Personen und als „mittlere“ Unternehmen, solche mit 50-249 tätigen Personen.
Für die Studie sollten neun für KMU besonders repräsentative Berufs(unter)gruppen ausgewählt werden. Daher dienten als Basis sowohl die von Rammer et al. (2019, siehe oben) genannten Funktionsbereiche, in denen KI bereits eingesetzt wird als auch die Klassifikation der Berufe der Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur für Arbeit, 2020). Zunächst wurden die in kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen – basierend auf der Zahl an Mitarbeitenden – größten Wirtschaftszweige identifiziert (Statistisches Bundesamt [Destatis], 2024). Anhand der Klassifikation der Berufe wurden folglich Berufs(unter)gruppen der entsprechenden Wirtschaftszweige und Funktionsbereiche ausgewählt. Die ausgewählten Berufs(unter)gruppen sind in Abbildung 2 zu erkennen.
Da sich die durchgeführte Befragung nur an Beschäftigte richtete, die in den entsprechenden Berufen zum Zeitpunkt der Befragung tätig waren, und demnach nicht an Personen, die vergleichbare Berufe beispielsweise erlernt haben, aber zum Befragungszeitpunkt nicht mehr ausübten, wurden Geschäftsführende sowie Abteilungsleitende und Personen in vergleichbaren Positionen von der Befragung ausgeschlossen. Weiterhin ausgeschlossen wurden Personen, deren Unternehmen bereits Maßnahmen eines regionalen Zukunftszentrums wahrgenommen hatten, denn dies hätte die Ergebnisse zugunsten der in der Beratung adressierten Anwendungen oder KI-Potenziale verfälschen können.
Umsetzung der Onlinebefragung
Die Studie wurde als Online-Fragebogen mit einer Dauer von ca. 15 Minuten umgesetzt. Neben soziodemografischen Daten wurde die Vorerfahrung der Teilnehmenden mit KI erfasst. Diesbezügliche Fragebogenhinhalte sind detaillierter in Tabelle 1 dargestellt.
Tabelle 1: Fragebogenaufbau zu soziodemografischen Daten sowie der KI-Erfahrung
Die generelle KI-Einstellung der Befragten wurde mithilfe der KI-Mindset Skala (Cronbachs α = .848) erhoben (Leuteritz, 2024). Zudem wurden Hemmnisse der Teilnehmenden zum Einsatz von KI ermittelt. Hierbei wurden literaturbasiert 13 potenzielle Hemmnisse identifiziert und mit einer 11-stufigen Skala von 0 „kein Hemmnis“ bis 10 „sehr großes Hemmnis“ bewertet. Die im Fragebogen geprüften potenziellen Hemmnisse sind in Abbildung 5 zu erkennen.
Zur Ermittlung der KI-Potenziale wurden je Berufsgruppe vier Tätigkeiten, sowie passende Vorschläge wie diese Tätigkeiten von KI übernommen oder unterstützt werden können, vorgestellt. Abbildung 1 zeigt dies beispielhaft für die Tätigkeiten der Berufsgruppe „Werbung und Marketing“. Die Befragten sollten 1-2 der vorgeschlagenen Tätigkeiten auswählen und zunächst beschreiben, welche Probleme innerhalb dieser Tätigkeit sie gerne mit KI lösen würden und welche Aufgabe die KI übernehmen solle.
Abbildung 1: Beispielhafte Darstellung der Tätigkeits- und KI-Potenzial-Beschreibungen für die Berufsgruppe „Werbung und Marketing“
Außerdem wurde der relative, zeitliche Anteil der Tätigkeit erfragt, im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit der Teilnehmenden. Der Einfluss der KI auf die Tätigkeit sowie die Tatsache, ob dieser potenzielle Einfluss als Verbesserung oder Verschlechterung empfunden wurde, wurden mittels 5-fach gestufter semantischer Differentiale abgefragt. Die zu bewertenden Items „Komplexe Fähigkeiten“, „Aufgaben-Vollständigkeit“, „Wichtigkeit“ und „Kontrolle und Verantwortung“ wurden in Anlehnung an das Job-Characteristics-Model (JCM) von Hackman und Oldham formuliert (In Orientierung an: Ehrlich, 2008). Die Variablen „Geistiger Anspruch“, „Zusammenarbeit“, „Konkurrenzdenken“, „Zeitdruck“, „Körperliche Erschöpfung“ und „Gesundheitliche Risiken“ basieren auf dem Quality of Work Index (Steffgen et al., 2020). Zuletzt wurde erfragt, ob Teilnehmende solch eine KI bereits für die bewertete Tätigkeit nutzten und ob sie diese eher als unterstützendes oder die Tätigkeit übernehmendes Werkzeug sehen würden (5-stufige Likert-Skala, stimme vollkommen zu – stimme überhaupt nicht zu).
Ergebnisse
Stichprobe
Insgesamt nahmen 458 Personen an der Befragung teil. Darunter identifizierten sich 221 als weiblich und 237 als männlich, während niemand die Geschlechtsidentität „divers“ angab. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei 47.26 Jahren (SD = 11.69). Die Befragung umfasste alle Bundesländer. Mit 81 Teilnehmenden war Nordrhein-Westfalen am stärksten vertreten, während Bremen mit 6 Personen den geringsten Beitrag stellte. Hinsichtlich der Betriebsgrößenklasse arbeiteten 11 Personen in Kleinstunternehmen, 169 in kleinen Unternehmen und 278 in mittleren Unternehmen. Die Berufsgruppe mit den meisten Teilnehmenden war die Gruppe „Einkauf und Vertrieb“, die von 109 Personen repräsentiert wurde. Am wenigsten vertreten war die „Verwaltung im Pflegesektor“, der 17 Personen zugehörten. Die untenstehende Abbildung 2 zeigt die Verteilung der Teilnehmenden auf die Berufs(unter)gruppen.
Anzahl befragter Beschäftigter nach Berufs(unter)gruppe
Abbildung 2: Anzahl der Beschäftigten pro Berufs(unter)gruppe
Stimmungsbild: KI-Einführung und Erfahrungen in deutschen KMU
Die Teilnehmenden wurden gefragt, ob in ihrem Unternehmen bereits erfolgreich KI eingeführt wurde. Die Branchen, in denen am häufigsten KI bereits eingeführt wurde, sind „Werbung und Marketing“ (59.1%), „Rechnungswesen“, „Controlling und Revision“ (28.3%) sowie „Personalwesen und Dienstleistungen“ (27.7%). Die geringsten KI-Quoten zeigten sich in den Gruppen „Lagerwirtschaft“ (9.8%) sowie „Kraftfahrzeugtechnik und Handwerk“ (11.9%). Die Befragung erfasste auch, welche KI-Anwendungen die Teilnehmenden bereits in ihrem Beruf genutzt hatten. Für jede Berufsgruppe wurden dazu die gängigsten Anwendungen vorab recherchiert. Die Mehrheit der Befragten (265 Personen, 57.9 %) gab an, bisher keine KI-Anwendungen verwendet zu haben. Bei dem Rest der Stichprobe waren chatGPT (165 Personen, 36.0 %) und DeepL (38 Personen, 8.3 %) die am häufigsten eingesetzten Tools.
Mit Abstand am häufigsten wurden KI-Anwendungen bisher zur „Unterstützung der Büroarbeit“ genutzt (118 Personen; 25.8% der Stichprobe). Danach folgen mit 29 Nennungen „Content-Produktion (6.3% der Stichprobe). Besonders selten genannt wurden „Potenzialanalyse von Beschäftigten“ (2 Nennungen) und „Industrie- und Logistikroboter“ (3 Nennungen).
Zusätzlich wurde die allgemeine Einstellung zu KI und deren Auswirkungen mithilfe von vier Items auf einer 5-stufigen Likert-Skala erhoben, wobei 1 für eine positive und 5 für eine negative Haltung stand. Die gemittelten Werte zeigten berufsgruppenübergreifend eine neutrale Einstellung zu KI (M = 3.0). Besonders positiv äußerten sich Personen aus der Berufsgruppe „Werbung und Marketing“ (M = 2.31), während die Einstellung in den Gruppen „Berufe in der Lagerwirtschaft“ sowie „Kraftfahrzeugtechnik und Handwerk“ (M = 3.30) am negativsten ausfiel. Gleichzeitig wiesen die Daten in allen Berufsgruppen eine hohe Streuung auf, was auf unterschiedliche Haltungen innerhalb der Gruppen hinweist. Die untenstehende Abbildung 3 zeigt die mittlere KI-Einstellung jeder Berufsgruppe.
KI-Einstellung
Abbildung 3: Einstellung der Befragten aller Berufsgruppen gegenüber KI mit 1=positive Einstellung und 5=negative Einstellung.
KI-Potenziale in deutschen KMU
Im Folgenden wird die Tätigkeit mit dem höchsten KI-Potenzial je Berufsgruppe dargestellt. Das ermittelte KI-Potenzial umfasst zwei berechnete Scores.
- Score 1_Veränderungen der Arbeitsbedingungen: Mittelwert der Veränderungen der Arbeitsbedingungen * Zeit, welche die Tätigkeit bei der jeweiligen Person in Anspruch nimmt.
- Score 2_Mittelwert der Bewertung der Veränderungen * Zeit, welche die Tätigkeit bei der jeweiligen Person in Anspruch nimmt.
Zur Berechnung des Gesamt-Scores über alle Bewertungen der Teilnehmenden hinweg wurde der Mittelwert gebildet. Der potenzielle Wertebereich reicht von -200 bis 200 da die Mittelwerte (Veränderung der Arbeitsbedingungen und Bewertung der Veränderung der Arbeitsbedingung; Minimum: -2, Maximum: 2) mit dem zeitlichen Anteil in Prozent multipliziert wurden. Der prozentuale Anteil der Arbeitszeit pro Woche, welcher für die Tätigkeit aufgewendet wird, sowie eine Übersicht der berechneten Scores ist in Tabelle 2 dargestellt.
Berufsgruppe Verwaltung (Pflege) (N=25): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Berichte erstellen“. Das KI-Potenzial liegt hierbei in der automatisierten Auswertung von Dokumenten. Diese Tätigkeit wurde von 9 Personen gewählt der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 9.0, während der Score2_Bewertung bei 23.3 liegt.
Berufsgruppe Personalwesen und Dienstleistung (N=107): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Personalentwicklung“. Mit dem Einsatz von KI können personalisierte Lernprogramme erstellt und Fortschritte analysiert werden. Diese Tätigkeit wurde von 18 Personen gewählt der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 7.6, während der Score2_Bewertung bei 18.1 liegt.
Berufsgruppe Rechnungswesen und Controlling (N=74): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Buchhaltung“. Durch den Einsatz von KI können Dokumente gescannt und relevante Daten automatisch extrahiert werden. Diese Tätigkeit wurde von 37 Personen gewählt der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 13.6, während der Score2_Bewertung bei 25.8 liegt.
Berufsgruppe Einkauf und Vertrieb (N=181): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Angebote und Verhandlungen“. Mit dem Einsatz von KI können Markttrends und Wettbewerbsinformationen analysiert und kundenspezifische Angebote erstellt werden. Diese Tätigkeit wurde von 54 Personen gewählt der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 9.6, während der Score2_Bewertung bei 17.4 liegt.
Berufsgruppe Werbung und Marketing (N=38): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Kampagnenentwicklung“. Mit dem Einsatz von KI können Marketingkampagnen optimiert werden, indem datenbasiert Geschäfts- und Verkaufsstrategien angepasst werden. Diese Tätigkeit wurde von 11 Personen gewählt, der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 7.8, während der Score2_Bewertung bei 21.8 liegt.
Berufsgruppe Berufe im Kundenmanagement (N=123): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Kundenberatung“. Mit dem Einsatz von KI können Empfehlungen personalisiert und Angebote maßgeschneidert werden. Diese Tätigkeit wurde von 39 Personen gewählt der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 11.3, während der Score2_Bewertung bei 23.0 liegt.
Berufsgruppe Technische Produktionsplanung und -steuerung (N=69): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Kapazitätsplanung“. Mit dem Einsatz von KI kann das Auftragsaufkommen vorhergesagt werden. Diese Tätigkeit wurde von 18 Personen gewählt der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 10.9, während der Score2_Bewertung bei 23.0 liegt.
Berufsgruppe Berufe in der Lagerwirtschaft (N=60): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Kommissionieren und Verpacken“. Mit dem Einsatz von KI können Prozesse optimiert und analysiert werden. Diese Tätigkeit wurde von 13 Personen gewählt der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 5.4, während der Score2_Bewertung bei 23.7 liegt.
Berufsgruppe Berufe in der Kfz-Technik oder Handwerk (N=61): Das stärkste KI-Potential ergibt sich bei der Tätigkeit „Inspektion“. Mit dem Einsatz von KI können Sichtkontrollen zur Qualitätsprüfung durchgeführt werden. Diese Tätigkeit wurde von 12 Personen gewählt, der Score1_Veränderung der Arbeitsbedingung liegt bei 9.3, während der Score2_Bewertung bei 24.9 liegt.
Im Folgenden werden die Tätigkeiten mit den stärksten KI-Potentialen hinsichtlich einzelner Faktoren, welche am negativsten oder positivsten bewertet wurden, genauer betrachtet. Für die Tätigkeiten Personalentwicklung, Buchhaltung, Angebote & Verhandlungen, Kundenberatung und Kommissionieren & Verpacken gaben die Probanden an, unter Einsatz der KI weniger Zeitdruck zu empfinden und bewerteten dies als positiv.
Außerdem wurde die Reduzierung des Faktors „komplexe Fähigkeiten“, durch den Einsatz einer KI, für die Tätigkeiten Berichte erstellen, Angebot & Verhandlung, Kampagnen-Entwicklung, Kapazitätsplanung, Kommissionieren und Verpacken, sowie Inspektion positiv bewertet.
Am stärksten negativ bewertet wurde die Reduzierung des Faktors „Zusammenarbeit“, durch den Einsatz einer KI für die Tätigkeiten Personalentwicklung, Buchhaltung, Kampagnenentwicklung, Kapazitätsplanung, sowie Inspektion. Für die Tätigkeit Berichte erstellen wurde eine Reduzierung des Faktors Zusammenarbeit als positiv bewertet. Für die Tätigkeit Angebote und Verhandlungen wurde der Faktor neutral bewertet.
Weitere Tätigkeiten mit hohem KI-Potenzial sind laut Teilnehmenden über alle Berufsgruppen hinweg: Textgenerierung und Kommunikation, Büroorganisation und Verwaltung, sowie Vertrieb und Warenmanagement. Außerdem wurden Potenziale wie Zeitersparnis, Datenanalyse oder Personalmanagement genannt. Der Einsatz von KI wurde vor allem in der Berufsgruppe „Kfz-Technik oder Handwerk“ als ungeeignet gesehen, als auch bei Berufen, die den direkten menschlichen Kontakt mit den Kunden voraussetzen.
Tabelle 2: Darstellung der Tätigkeiten mit dem höchsten KI-Potenzial pro Berufsgruppe.
Generell zeigt sich, dass die Scores sehr stark zwischen den einzelnen Antwortenden in der jeweiligen Berufsgruppe variieren. Die erwarteten Auswirkungen einer KI-Lösung hängen vermutlich trotz gemeinsamer Berufsbilder sehr vom individuellen Kontext wie beispielsweise der Arbeitssituation oder dem Organisationsklima ab.
Zusätzlich wurde erhoben, ob sich die Teilnehmenden wünschen bei den jeweiligen Tätigkeiten „vollständig von KI unterstützt zu werden“ oder ob die Tätigkeit in Zukunft „vollständig von KI übernommen“ werden soll. In Abbildung 4 sind die Bewertungen je KI-Potential bzw. Tätigkeit dargestellt. Über alle Berufsgruppen hinweg tendieren die Befragten eher dazu, sich eine Unterstützung durch KI vorzustellen, anstatt ihre Tätigkeiten vollständig an KI-Anwendungen abzugeben.
Stärkste KI-Potenziale aller Berufsgruppen
Abbildung 4: Darstellung der stärksten KI-Potenziale pro Berufsgruppe, und ob die KI diese Tätigkeit unterstützen oder vollständig übernehmen sollte.
Hemmnisse für die KI-Einführung in deutschen KMU
In der Mehrheit der in der Befragung repräsentierten deutschen KMU wurde bisher keine KI eingeführt oder zur Nutzung freigegeben. Um einen Einblick über potenzielle Gründe und damit verbundene Herausforderungen zu bekommen, wurden verschiedene Hemmnisse bei der KI-Einführung aus der Fachliteratur abgeleitet. Die vorab identifizierten Hemmnisse wurden den Teilnehmenden zur Bewertung vorgelegt. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass die Teilnehmenden die Hemmnisse bei der KI-Einführung ähnlich bewerten (Abbildung 5). Aufgrund der großen Varianzen kann kein Hemmnis als besonders bedeutsam oder besonders unbedeutend herausgehoben werden. Die fünf Hemmnisse mit den höchsten Bewertungen im Mittel sind: Unsicherheit bezüglich KI-Technologiereife, fehlende Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, Datenschutz und rechtliche Situation, Integration in bestehende Geschäftsprozesse sowie fehlendes Fachwissen. Die genannten Aspekte zeigen, dass neben den technologischen Unsicherheiten vor allem die fehlende fachliche Expertise als zentrales Hemmnis wahrgenommen wird. Als weiteres Hemmnis wird von den Befragten außerdem steigende Kosten (z.B. durch steigenden Stromverbrauch) genannt. Generell lassen sich keine großen Schwankungen in der Beurteilung der verschiedenen Hemmnisse zwischen den Berufsgruppen erkennen.
Wie beurteilen Sie die folgenden Hemmnisse bei der KI-Einführung entsprechend Ihrer Erfahrungen in Ihrem Unternehmen?
Abbildung 5: Darstellung der Hemmnisse bei der KI-Einführung (N=458)
Fazit
Die durchgeführte Online-Umfrage unter 458 Mitarbeitenden deutscher KMU aus neun häufig vertretenen Berufsgruppen hat wertvolle Erkenntnisse über die Nutzung und die Potenziale von Künstlicher Intelligenz (KI) am Arbeitsplatz geliefert. Bei 57.9% der Befragten (265 Personen) wurden bisher keine KI-Anwendungen am Arbeitsplatz eingeführt. ChatGPT (36.0%) und DeepL (8.3%) sind die am häufigsten verwendeten KI-Anwendungen.
Die Analyse zeigt, dass die Branchen, in denen KI-Anwendungen bereits am häufigsten implementiert oder zur Nutzung freigegeben wurden, „Werbung und Marketing“ (59.1%), „Rechnungswesen“, „Controlling und Revision“ (28.3%) sowie „Personalwesen und Dienstleistungen“ (27.7%) sind. Im Gegensatz dazu zeigen die „Lagerwirtschaft“ (9.8%) und die Gruppe „Kraftfahrzeugtechnik und Handwerk“ (11.9%) die geringste KI-Nutzung. Dies lässt darauf schließen, dass KI-Potenziale in verschiedenen Branchen unterschiedlich leicht zu erschließen sind bzw. die Vorteile unterschiedlich eingesetzt werden.
Die generellen Einstellungen zu KI variieren zwischen den Berufsgruppen, wobei interindividuelle Unterschiede vorherrschen. Im Durchschnitt zeigten Mitarbeitende der Berufsgruppe „Werbung und Marketing“, welche den höchsten KI-Anteil hat, die positivsten Einstellungen gegenüber KI, während die Mitarbeitenden in der Kraftfahrzeugtechnik und im Handwerk, sowie in der Lagerwirtschaft (Branchen mit eher wenig KI-Einsatz) eine eher negative Sichtweise haben.
Welche KI-Potenziale sehen Beschäftigte in KMU, die den ausgewählten Berufsgruppen angehören? Welche davon sind besonders vielversprechen, da sie die Beschäftigten am besten entlasten oder sich besonders positiv auf die Produktivität auswirken?
Die vielversprechendsten KI-Potenziale wurden in den Tätigkeiten Buchhaltung (Berufsgruppe „Rechnungswesen, Controlling & Revision“), Kundenberatung (Berufsgruppe „Kundenmanagement“) und Kapazitätsplanung (Berufsgruppe „Technische Produktionsplanung und -steuerung“) identifiziert. Es zeigt sich, dass die Einschätzungen zur Nützlichkeit von KI stark variieren und stark vom individuellen Kontext abhängen, wie etwa der Arbeitssituation oder dem Organisationsklima. Über alle Berufsgruppen hinweg tendieren die Befragten eher dazu, sich eine Unterstützung durch KI vorzustellen, anstatt ihre Tätigkeiten vollständig an KI-Anwendungen abzugeben. Insgesamt zeigt sich also, dass KI-Potenziale besonders hoch eingeschätzt werden, wo z.B. durch Sprachmodelle bzw. generative KI die Büroarbeit unterstützt werden kann.
Welche Hemmnisse sehen diese Beschäftigten beim Erschließen dieser Potenziale? Sind die genannten Hemmnisse berufs- bzw. anwendungsfeldspezifisch, oder sind für bestimmte Berufsgruppen gezielte Maßnahmen erforderlich, um den KI-Einsatz zu fördern?
Die fünf am häufigsten genannten Hemmnisse beziehen sich auf mangelnde Qualifikationen, fehlendes Fachwissen, die geringe Reife der KI-Anwendungen, Datenschutz- und rechtliche Aspekte sowie die Integration in bestehende Geschäftsprozesse. Bezüglich der Bedeutung dieser Hemmnisse konnten keine Unterschiede zwischen den Berufsgruppen gefunden werden. Dies bedeutet, dass es in der KI-Beratung keine speziell für bestimmte Berufsgruppen ausgerichteten Vorgehensempfehlungen gibt, sondern dass die Beratung wie beispielsweise in den Zukunftszentren individuell, an die Situation des KMU angepasst, erfolgen muss.
Die Ergebnisse dieser Onlinebefragung tragen dazu bei, deutschen KMU zu helfen, KI-Potenziale im eigenen Unternehmen zu identifizieren und die KI-Einführung für besonders erfolgversprechende Tätigkeitsbereiche voranzubringen. Die Erkenntnisse bilden eine Grundlage, die in weiteren Studien unter Einbezug von Best-Practice-Lösungen zur Einführung von KI weiter ausgearbeitet werden soll. Hiermit können gezielte Schulungs- und Unterstützungsmaßnahmen entwickelt werden, die Mitarbeitende auf den Einsatz von KI vorbereiten und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen steigern.
Wenn Sie sich für die Einführung von KI-Anwendungen in Ihrem Unternehmen interessieren, nutzen Sie die geförderten Beratungs- und Qualifizierungsangebote des Zukunftszentrums in Ihrer Region:
Zukunftszentrum für menschzentrierte KI in der Produktionsarbeit
Regionales Zukunftszentrum Mecklenburg-Vorpommern Plus (ZMV+)
Regionales Zukunftszentrum Nord (RZ.Nord)
pulsnetz.de – Mensch und Technik im Gemeinwesen (Pulsnetz MuTiG)
Regionales Zukunftszentrum für KI und digitale Transformation Saarland und Rheinland-Pfalz (RZzKI)
Regionales Zukunftszentrum Sachsen (RZ Sachsen)
Literaturübersicht
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