Wissenspool-Beitrag

Die Elemente des Geschäftsmodells im Wandel der digitalen Transformation hin zur Datenintegration

18.08.2022
Lesezeit: ca. 11 min

Die digitale Transformation hat einen enormen Einfluss auf alle Gesellschaftsbereiche und macht insofern auch nicht vor Geschäftsmodellen Halt. Insgesamt betrachtet scheint es sogar, als ob jedes einzelne Element eines Geschäftsmodells (digital) transformiert wird beziehungsweise werden kann.

Transformationen im Kontext der Digitalisierung haben insofern Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Wertangebots, als sich die Marktverhältnisse zunehmend von einem verkäufer- in einen käuferorientierten Markt wandeln werden und Käufer*innen nunmehr in der Position sind, die Bedingungen von Tauschgeschäften zu immer höheren Anteilen zu determinieren (Lasi 2014). Dies hat eine erhöhte Produktdifferenzierung zur Folge, da dynamischere, individuelle Kundenbedürfnisse entsprechend angepasste Produkte erfordern (Jahn & Pfeiffer 2014). Ebenso entstehen neue Möglichkeiten, digitale Technologien einzusetzen, um die Kund*innen besser zu verstehen – insbesondere hinsichtlich der Individualität. Echtzeitanalysen von Nutzerdaten würden es erlauben, Kundenwünsche rechtzeitig zu identifizieren und diese dann im Geschäftsmodell zu antizipieren. Zudem offerieren Echtzeitanalysen der Kundendaten neue Potenziale der Ausgestaltung des Wertangebots, insbesondere die Möglichkeit des Angebots von verhaltensorientierten Produkten, die beispielsweise in Echtzeit an das individuelle Surf- oder Konsumverhalten der Kund*innen angepasst werden (Koye & Auge-Dickhut 2014).

Eine Differenzierung der Kundensegmente gilt als wesentlicher Erfolgsfaktor für das Bestehen des Geschäftsmodells. Bisher von den kleinen und mittleren Unternehmen mit zu hohen Kosten verbunden, gelingt es nun, dank digitaler Technologien, Zielgruppendifferenzierung zu ermöglichen und, daran abgeleitet, eine kundengerechte Entwicklung des Wertangebots. Zudem entstehen Möglichkeiten der Schlussfolgerungen zur Zahlungsbereitschaft einzelner Kundensegmente, wie es Beispiele aus der Versicherungsbranche zeigen (Ambacher et al. 2014).

Kundenbeziehungen sind Schnittstellen zwischen Unternehmen und Kundensegmenten, die selbst als optimale Datenquelle fungieren können, und anhand derer Kund*innen das Wertangebot eines Unternehmens bewerten. Diese Bewertungen und weitere Hinweise aus Sicht der Kund*innen können für die zukünftige Produktentwicklung oder die von Dienst­leistungen genutzt werden. Insbesondere im Kontext der Verschiebung der Machtverhältnisse auf den Märkten hin zu den Kund*innen (Lasi 2014), entwickeln sich nunmehr aus mehr oder weniger statischen Erwartungen, flexible und sich ständig verändernde Kundenerwartungen (Jahn & Pfeiffer 2014). Big-Data-Analytics-Anwendungen können hierbei eingesetzt werden, um aus den Kundenbeziehungen Daten zu sammeln und daraus passgenaue Kundenprofile und Analysen zum Kundenverhalten zu erstellen (Koye & Auge-Dickhut 2014).

Zugleich sind Kundenbeziehungen und die zugehörigen Kanäle jene Elemente des Geschäftsmodells, in welchen die Entwicklung vom traditionellen hin zum digitalen Unternehmen mit Potenzial von Datenintegration sehr gut nachgezeichnet werden kann. Im traditionellen Unternehmen waren Kundenansprachen fast ausschließlich unmittelbare zwischenmenschliche Interaktionen beispielsweise Verkaufsgespräche im Fachhandel. Nunmehr sind digitale Unternehmensauftritte eine Selbstverständlichkeit geworden; von der Unternehmenswebseite über Online-Werbeformate und Präsenz und Kommunikation in sozialen Medien kann ein Unternehmen sich in der digitalen Welt seinen Kund*innen präsentieren. Ebenfalls gelingen direktere, digitale Kundenansprachen und Interaktionsmöglichkeiten indem auf der Webseite des Unternehmens Schnittstellen zur Kontaktaufnahme (E-Mail, Chats) angeboten werden. Chancen der digitalen Präsenz und Kundenansprachen werden hier insbesondere im Marketing gesehen. So kann eine Analyse der Kundensegmente dazu genutzt werden, Suchmaschinen- oder E-Mail­marketing weiter auszubauen und Marketingkampagnen weiter zu personalisieren. Insofern sowohl Beratungsangebote als auch der Verkauf von Produkten und Beratungsleistungen über digitale Kanäle stattfinden, ist hier ebenfalls eine datenbasierte Individualisierung von Produkten und Services sowie ein datenbasiertes Kunden­management vielversprechend. Letztes gelingt durch eine Zusammenführung und Analyse von Verhaltensdaten aus digitalen Touchpoints, Stammdaten von CRM-Lösungen und externen Datenquellen wie Social-Media-Kanälen (Berman 2012). Analysen der Kundenbeziehungen sind zudem essenziell, um den Erfolg von Maßnahmen der Kundenbindung zu messen und daraus eine Bewertung zur Effektivität der Kundenbeziehungen abzuleiten. An dieser Stelle kann ebenso betrachtet werden, wie kostenintensiv sich die einzelnen Ausprägungen der Beziehungen zu den Kund*innen verhalten. Diese können ins Verhältnis zum Erfolg gesetzt werden, was wiederum Schlussfolgerungen hinsichtlich der Effizienz einzelner Formen der Kundenbeziehungen zulässt.

Schlüsselressourcen, also all jene Mittel, die für das Funktionieren des Geschäftsmodells und Ausgestaltung des Wertangebots notwendig sind, stellt jene Komponente dar, bei der sich eine Vielzahl der Autor*innen das höchste Potential versprechen (Schmidt & Drews 2018). Ansätze finden sich entlang der im Betrieb eingesetzten Ressourcen und der daran orientierten Optimierungsbestrebungen, indem die Ressourcen eines Unternehmens durch Dateneinsatz zur besseren Prognose und Einschätzung angepasst werden. Beispielsweise kann der Maschineneinsatz mittels Maschinendaten oder Erhebung von Durchlaufzeiten, Ausbringungsmenge und Produktqualität analysiert werden und Ableitungen sowie Prognosen zum Maschinenzustand oder zu Reparatur- beziehungsweise Wartungswahrscheinlichkeiten getroffen werden. In einem weiteren Anwendungsbeispiel ließe sich ebenso der Mitarbeitereinsatz im Unternehmen anhand von Analysen der Leistungskennzahlen und daraus abgeleiteten Prognosen steuern. 

Aus der Überführung von analogen und teilanalogen Unternehmensprozessen und Prozessketten in eine (vollständige) digitale Umgebung entsteht nunmehr die Möglichkeit, diese weiterzuentwickeln und parallel innovative Neuerungen innerhalb der Schlüsselaktivitäten zu integrieren (Koye & Auge-Dickhut 2014). Dank der Nutzung von digitalen Tools, u. a. von Anwendungen oder Infrastrukturen aus Cloud-Diensten, zur Zusammenarbeit im Unternehmen, mit Partnern oder Kund*innen und dem Zugriff auf sowohl Kommunikations- als auch Geschäftsanwendungen, erhalten die Anwender*innen ebenfalls einen mobilen Zugriff auf beispielsweise Produktionsdaten oder Vertriebsanwendungen. Möglich sei zudem die Überwachung und Erfassung von Prozessen und vernetzten Objekten in Echtzeit, z. B. von Maschinen, Anlagen oder Fahrzeugen, die in die bestehende IT eingebunden sind. Die weiterhin relevanteste Zielstellung ist hierbei die Optimierung der Wertschöpfungskette. Beispielsweise können Arbeitszeiten über eine App abgerechnet werden oder Qualitätskennzahlen von Maschinen über Sensoren erfasst werden. Aus einer solchen systematischen Erhebung und einer darauf aufbauenden Auswertung und Analyse von Daten ließen sich Vorhersagemodelle (Predictive Analytics) berechnen. Denkbare Aufgaben und Problemstellungen innerhalb der Schlüsselaktivitäten sind beispielsweise Predictive Maintenance oder flexible Anpassungen der Produktion auf Basis von Absatzprognosen oder Nachfrageverhalten der Kund*innen. Logistikprozesse ließen sich ebenso durch Versand- und Transportüberwachung von Waren in Echtzeit und eine Steuerung auf Basis von Data Analytics optimieren (Heinrich & Stühler 2018).

Es wird davon ausgegangen, dass Schlüsselpartnerschaften durch die digitale Transformation erheblich beeinflusst werden, insbesondere deshalb, weil nunmehr länderübergreifende Netzwerke mit entsprechenden Infrastrukturen zur Kommunikation möglich sind (Schmidt & Drews 2016). Ebenso können Plattformen für Verkauf, Einkauf oder Herstellung von Produkten und Services zusammen mit Dritten gemeinsam genutzt werden, z. B. IoT-Plattformen zur effizienteren Nutzung von Maschinen und Anlagen sowie Logistikplattformen. Dadurch entsteht eine noch engere und direktere Anbindung von Lieferanten, Partnern aber auch den Kund*innen an die eigenen Unternehmenssysteme, wodurch diese in die Warenwirtschaft, die Beschaffungswege oder auch die Lagerlogistik eingebunden werden können. Unternehmensintern kann mit den aus einer gemeinsamen Nutzung von Plattformen und Infrastrukturen entstandenen Daten der Erfolg der Zusammenarbeit evaluiert werden. Denkbar ist auch, die Lieferantentreue zu analysieren oder Preistrends zu ermitteln und hieraus Schlussfolgerungen in Bezug auf die Optimierung der Beschaffung zu ziehen (Graf & Müller 2021).

In digitalisierter Form vorliegende Informationen zu den Einnahmequellen, z. B. Listen von Kundenbestellungen und Verkaufshistorien, ergänzt durch weitere Informationen, z. B. Profile der Kund*innen, und den Kostenstrukturen ermöglicht eine Analyse der Finanzarchitektur des Unternehmens. Einerseits ließen sich durch eine Reduktion von Produktionskosten Einsparungen umsetzen (Sola 2015) beziehungsweise Ressourcen ökonomischer und effizienter nutzen, andererseits könnte eine dynamischere Preis­gestaltung umgesetzt werden (Lasi 2014).

Literaturübersicht

Referenzen

Ambacher, N.; Knapp, D.; Jánzsky, S. (2014): Versicherungen 2020: Kunden, Makler, Changeprozesse. URL: https://www.5-sterne-trainer.de/fileadmin/media/download/pdf/Trendanalysen/Janszky_Trendstudie_Versicherungen_2020.pdf(15.08.2021)

Berman, S. J. (2012): Digital transformation: opportunities to create new business models. Strategy & Leadership 40 (2), S. 16-24.

Graf, M.; Müller, H. (2021): Data-Analytics-Projekte in der Beschaffung erfolgreich umsetzen. In: (Fritzsche, R. et al.), Logistik in Wissenschaft und Praxis. Springer Fachmedien Wiesbaden.

Heinrich, C.; Stühler, G. (2018): Die Digitale Wertschöpfungskette: Künstliche Intelligenz im Einkauf und Supply Chain Management. In (Gärtner, C.; Heinrich, C.), Fallstudien zur Digitalen Transformation. Springer Fachmedien, Wiesbaden.

Jahn, B.; Pfeiffer, M. (2014): Die digitale Revolution – Neue Geschäftsmodelle statt (nur) neue Kommunikation.Marketing Review St. Gallen 31, S. 79-93.

Koye, B.; Auge-Dickhut, S. (2014): Big Data als Game Changer. Wie Finanzdienstleister darauf reagieren können. Zeitschrift Führung + Organisation 83, S. 386-391.

Lasi, H.; Fettke, P.; Feld, T.; Hoffmann, M. (2014): Industrie 4.0. Wirtschaftsinformatik 56(4), S. 261-264

Osterwalder, A.; Pigneur, Y. (2011): Business Model Generation: Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. Campus Verlag.

Schmidt, J.; Drews, P. (2016): Auswirkungen der Digitalisierung auf die Geschäftsmodelle der Finanzindustrie – Eine strukturierte Literaturanalyse auf der Grundlage des Business   Model Canvas.

Sola, J.; Gonzales, A.; Lázaro, O. (2015): Future Internet Technologies and Platforms to Support Smart, Digital and Virtual and Business Processes for Manufacturing. In: Lauras, M.; Zelm, M.; Archimède, B.; Bénaben, F.; Doumeingts, G., Entreprise Interoperability. Interoperability for Agility, Resilience and Plasticity of Collaborations. Wiley, S. 53-58.