Wissenspool-Beitrag

KMU200 – Digitalisierungseffekte in ostdeutschen Unternehmen

19.12.2022
Lesezeit: ca. 11 min

Studienüberblick

Mit den Analysen aus der Erhebung „KMU200 – Digitalisierung in ostdeutschen Unternehmen“ wurden von September bis November 2022 monatlich das Erleben und die Folgen für Beschäftigten in Bezug auf Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bei der Arbeit evaluiert. . Für Planung und Durchführung sind Prof. Dr. Hannes Zacher, Dr. Michael Knoll und M. Sc. Tobias Struck verantwortlich. Die Erhebung wurde von zwei Zielen geleitet: Zum einen sollten allgemein gültige Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitszufriedenheit und die Arbeitsleistung (Aufgabenerfüllung und -adaptivität) identifiziert werden; zum anderen galt es, mögliche Unterschiede zwischen Unternehmen verschiedener Größen und den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland zu untersuchen.

Stichprobenmerkmale

Zum ersten Messzeitpunkt nahmen 2447 erwerbstätige Personen an der Umfrage teil. Die befragten Personen waren zum ersten Messzeitpunkt durchschnittlich 44 Jahre alt (SD = 11.4) und 57.34% gaben an, männlich zu sein (42.54% weiblich, sowie 0.12% divers oder keine Angabe). Nach der Teilnahme wurden alle Personen zu jeder der drei Folgebefragungen zum Monatsanfang erneut kontaktiert und um Teilnahme gebeten. So nahmen zum zweiten Messzeitpunkt 1861 Personen, zum dritten Messzeitpunkt 1862 Personen und zum vierten Messzeitpunkt 1822 Personen teil. An allen vier Befragungen nahmen 1482 Personen teil. Unterschieden nach der Unternehmensgröße, waren 354 Personen in Kleinstunternehmen, 384 in kleinen Unternehmen, 629 in mittleren Unternehmen und 1079 in großen Unternehmen beschäftigt.

Fachkräftemangel

Die Bedeutung von Digitalisierung wird im Zusammenhang mit Fachkräftemangel immer wieder als eine mögliche Lösung diskutiert. Daher erfassten wir in unserer Erhebung die Beschäftigungssituation in den Unternehmen, insbesondere wie schwierig es ist, eine offene Stelle nach Qualifikationsniveau (niedrig, mittel oder hoch) zu besetzen. Geantwortet wurde auf einer Skala von 1 („unproblematisch“) bis 5 („sehr problemtisch“). Dabei zeigte sich, dass es mit steigendem Qualifikationsniveau schwieriger wird, eine Stelle zu besetzen, wobei Unternehmensgröße nur eine untergeordnete Rolle spielte. Im Detail lange bei einer Stelle mit niedriger Qualifikationsanforderung lagen die Antworten im Mittel bei 2.67 (SD = 1.22), ohne Unterschiede zwischen den Unternehmensgrößen, F(3) = 1.77, p = .149. Für eine Stelle mit mittlere Qualifikationsanforderung lagen die Antworten im Mittel bei 3.10 (SD = 1.15), ohne Unterschiede zwischen den Unternehmensgrößen, F(3) = 2.08, p = .100. Für eine Stelle mit hohen Qualifikationsniveau lagen die Antworten im Mittel bei 3.56 (SD = 1.27), wobei es einen bedeutsamen Unterschied zwischen Unternehmensgrößen gab, F(3) = 5.67, p < .001. Post-hoc Tests zeigten, dass ausschließlich kleine Unternehmen sich signifikant von den anderen Unternehmensgrößen unterschieden mit M = 3.78 (SD = 1.24) und es demnach noch schwieriger haben, eine Stelle mit hohem Qualifikationsniveau zu besetzen. In Hinblick auf mögliche Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern (Berlin gesondert betrachtet), zeigten sich überhaupt keine Unterschiede für die Stellenbesetzung innerhalb der drei Qualifikationsniveaus.

Abb Fachkräftemangel

2022_ZdA-Uni-Leipzig-Spotlight_KMU200_Diagramm-1

Anmerkung
Standardabweichung als Streuungsmaß, „QL“ = Qualifikationsniveau, Unternehmensgrößen: kleinst (≤ 9 Beschäftigte), klein (10 – 49 Beschäftigte), mittel (50 – 249 Beschäftigte) und groß (> 250 Beschäftigte).

Erleben der Digitalisierung

Die Befragten bewerteten auf einer fünfstufigen Skala, wie stark sie zehn verschiedene Folgen durch den Einsatz digitale Technologie erleben, bzw. welche erwarteten Folgen sie mit digitaler Technologie verknüpfen. Dabei zeigte sich, dass fünf Folgen im Schnitt über dem Skalenmittelwert von drei lagen und damit eine höhere Zustimmung erfuhren. Dazu zählte eine wahrgenommen Effizienzsteigerung in der Arbeit (M = 3.65; SD = 1.11), eine schnellere Aufgabenerledigung (M = 3.42; SD = 1.17), mehr Einfluss auf die Zeiteinteilung bei der Arbeit (M = 3.27; SD = 1.18) und mehr Einfluss auf die Aufgabenreihenfolge (M = 3.22; SD = 1.19), aber auch die Notwendigkeit von mehr Weiterbildungen und Lernanforderungen (M = 3.27; SD = 1.20). Als weniger relevant erlebt wurden eine stärkere (externe) Kontrolle der eigenen Arbeit, Statusveränderung im Unternehmen, höhere Qualifikationsanforderungen, Unterbrechungen bei der Arbeit und mehr Verschwimmen von Arbeit und Freizeit.

Folgen der IKT

Ein Schwerpunkt der Befragung bildete die Auswirkungen von den erlebten Anforderungen und Unterstützungen durch IKT auf die Arbeitszufriedenheit und die Arbeitsleistung (Aufgabenerfüllung und -adaptivität). Anforderungen untergliedert sich in das Erleben von technischen Problemen und das fehlende Kontrollerleben (hier positiv kodiert, d.h. hohe Werte bedeuten hohe erlebte eigene Kontrolle über die Technologie). Bei der Unterstützungsseite von IKT unterscheiden wir in technische Aktualität (also Updates und Einführung neuester Technologie) sowie die Verfügbarkeit von technischer Assistenz. Die mittlere erlebte Auftretenshäufigkeit ist für die vier Folgen in Abbildung 2 dargestellt.

Abb IKT

2022_ZdA-Uni-Leipzig-Spotlight_KMU200_Diagramm-2

Anmerkung
Standardabweichung als Streuungsmaß, Anforderungen sind orangefarben dargestellt, Unterstützungen sind grün dargestellt.

Folgen der IKT 2

Um entsprechend des längsschnittlichen Designs die wiederholten Messungen pro Person angemessen zu berücksichtigen, wurden für die drei Ergebnisvariablen Mehrebenenmodelle (Random-Intercept der Ergebnisvariablen, Random-Slope für Zeit) mit Personen auf Level-2 und Messzeitpunkten auf Level-1 gerechnet.

Arbeitszufriedenheit ist ein positiver Indikator für eine Reihe von arbeitsbezogenen Erfolgsfaktoren und spiegelt auch die Verpflichtung gegenüber einem Unternehmen und mögliche Kündigungsabsichten wider. Entsprechend ist Arbeitszufriedenheit auch Gegenstand unserer Untersuchung. Hier zeigte sich ein negativer Zusammenhang vom erlebten Auftreten technischer Probleme der Person mit der Arbeitszufriedenheit (γ = -0.04, SE = 0.02, p = .024), ein positiver Zusammenhang zur erlebten Kontrolle über den Einsatz von IKT mit der Arbeitszufriedenheit (γ = 0.26, SE = 0.02, p < .001), ein positiver Zusammenhang von der Einführung neuer Technologien und Aktualisierung mit der Arbeitszufriedenheit (γ = 0.25, SE = 0.02, p < .001) und ein positiver Zusammenhang von der Verfügbarkeit technischer Unterstützung (IT-Support) mit Arbeitszufriedenheit (γ = 0.18, SE = 0.02, p < .001).

Als zweite Ergebnisvariable wurde die (selbst-)wahrgenommene Arbeitsleistung untersucht, da mit der Einführung von IKT oftmals auch Erwartungen an eine Produktivitätssteigerung einhergehen. Die Erhebung verschiedener Aspekte von IKT ermöglichte eine differenzierte Betrachtung, welche Faktoren besonders zentral sind für eine Steigerung der Arbeitsleistung. Es zeigte sich ein negativer Zusammenhang vom erlebten Auftreten technischer Probleme der Person mit der Arbeitsleistung (γ = -0.06, SE = 0.01, p < .001), ein positiver Zusammenhang zur erlebten Kontrolle über den Einsatz von IKT mit der Arbeitsleistung (γ = 0.21, SE = 0.01, p < .001), ein positiver Zusammenhang von der Einführung neuer Technologien und Aktualisierung mit der Arbeitsleistung (γ = 0.05, SE = 0.01, p < .001) und ein positiver Zusammenhang von der Verfügbarkeit technischer Unterstützung (IT-Support) mit Arbeitsleistung (γ = 0.13, SE = 0.01, p < .001).

Digitalisierung geht oftmals mit Wandel der Arbeit einher. Veränderungen in Berufsbildern, geänderte Arbeitsaufgaben und -abläufe sind dabei nur einige Beispiele. Daher betrachteten wir als dritte Ergebnisvariable die Adaptivität in der Arbeitsleistung, also die Veränderung und Anpassung der eigenen Kernaufgaben an sich wechselnde Umstände. Dabei ist Adaptivität selbst ein Teil der Arbeitsleistung, da diese den Arbeitseinsatz und/oder die Aufgabenerfüllung fördert. Die Untersuchung beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit IKT diese Form der Adaptivität unterstützt oder verhindert. Es zeigte sich ein negativer Zusammenhang vom erlebten Auftreten technischer Probleme der Person mit der Adaptivität (γ = 0.02, SE = 0.01, p = .079), ein positiver Zusammenhang zur erlebten Kontrolle über den Einsatz von IKT mit der Adaptivität (γ = 0.21, SE = 0.01, p < .001), ein positiver Zusammenhang von der Einführung neuer Technologien und Aktualisierung mit der Adaptivität (γ = 0.10, SE = 0.01, p < .001) und ein positiver Zusammenhang von der Verfügbarkeit technischer Unterstützung (IT-Support) mit Adaptivität (γ = 0.12, SE = 0.01, p < .001).

Autor
Prof. Dr. Hannes Zacher

Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie

Universität Leipzig
Arbeits- und Organisationspsychologie
Neumarkt 9-19
04109 Leipzig

Autor
M. Sc. Tobias Struck

Universität Leipzig
Arbeits- und Organisationspsychologie
Neumarkt 9-19
04109 Leipzig

Autor
Dr. Michael Knoll

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
Universität Leipzig
Institut für Psychologie
Neumarkt 9-19
04109 Leipzig