Wissenspool-Beitrag

Weiterbildungspräferenzen von Beschäftigten und daraus resultierenden Implikationen für E-Learning-Angebote

28.07.2022
Lesezeit: ca. 20 min

Einleitung

Die voranschreitende Technologisierung sowie Digitalisierung der Arbeitswelt halten Einzug in die betriebliche Weiterbildung. Viele E-Learning-Angebote zeichnen sich durch die Möglichkeit des zeit- und ortsunabhängigen Lernens sowie der (selbstständigen) Steuerung des Lernprozesses und des Lerntempos aus. Die Digitalisierung eines Lernprozesses ist jedoch kein Garant dafür, dass Lernziele schneller erreicht oder Informationen nachhaltiger gespeichert werden können. Vielmehr geht es um die Entwicklung passgenauer Weiterbildungsmöglichkeiten, die die Vorzüge sowohl klassischer als auch elektronischer Lehr- und Lernkonzepte miteinander kombinieren. Daher ist es sinnvoll, den Fokus auf die Lernenden bzw. auf deren Präferenzen zu lenken. 

In diesem Spotlight werden wir uns daher folgenden Fragen widmen:

  • Was macht gute Weiterbildung aus Sicht der Beschäftigten aus?
  • Welche Rolle spielen Faktoren hinsichtlich der verwendeten Methodik und Didaktik, beispielsweise etwa der Einsatz spielerischer Elemente?
  • Welche Eigenschaften von E-Learning-Angeboten sind relevant für die Weiterbildungsqualität?
  • Welche Präferenzen bestehen hinsichtlich Möglichkeiten zur sozialen Interaktion, sowohl zwischen den Lernenden untereinander als auch zwischen ihnen und den Lehrenden?

Vorstellung von Zielen und Methodik der Studie

Betriebliche Weiterbildung ist essenziell für die Kenntnisse, Fähigkeiten und/oder Fertigkeiten der Beschäftigten sowie für die Unternehmen selbst, kann aber nur gelingen, wenn die Angebote den Bedürfnissen der Weiterbildungsteilnehmer*innen gerecht werden.

Mit dieser Studie untersuchen wir die Wahrnehmung der Relevanz von Faktoren hinsichtlich betrieblicher Weiterbildungsprozesse von 1712 Beschäftigten. Die Erhebung fand in Kooperation einer Panelstudie der Universität Leipzig statt und war Bestandteil der Befragungswelle im September 2020 durchgeführt wurde (vgl. detaillierte Beschreibung des Studiendesigns sowie demografischer Faktoren unter Knoll et al., 2021).

TAKE AWAYS

  1. Praktische Relevanz der Lerninhalte ist den Lernenden sehr wichtig. Gleichzeitig muss die Möglichkeit für einen Wissenstransfer auf betrieblicher Seite geschaffen werden.

  2. Eintönigkeit bei der Wissensvermittlung ist zu vermeiden. Dem kann unter anderem durch spielerische Elemente entgegengewirkt werden, welche die Motivation erhöhen können.

  3. Beschäftigte bevorzugen Eigenständigkeit während des Lernprozesses sowie zeit- und ortsunabhängiges Lernen.

  4. Inhaltliche Rückfragen zu Lehrenden/Experten sowie der Austausch zwischen den Lernenden sollten gewährleistet werden.

Was macht gute Weiterbildung aus Sicht der Beschäftigten aus?

71 % der Befragten gaben an, dass es ihnen eher wichtig bzw. sehr wichtig ist (nachfolgend als „wichtig“ zusammengefasst), Gelerntes praktisch umsetzen zu können. Eine abgeleitete Empfehlung wäre daher, nicht nur die Lerninhalte entsprechend auszurichten, sondern zudem für ein betriebliches Umfeld zu sorgen, in dem der Wissenstransfer tatsächlich stattfinden kann. Konkret bräuchte es insbesondere zeitliche Kapazitäten zum Anwenden und Einüben neu erworbener Kompetenzen, bevor sie nach einer gewissen Zeit zur Routine werden. Hervorzuheben ist, dass die genannten 71 % über alle im Rahmen der Untersuchung genannten Kriterien hinweg den höchsten Zustimmungsanteil darstellen. Nur 4,8 % halten diesen Aspekt für eher unwichtig oder gar nicht wichtig (nachfolgend als „unwichtig“ zusammengefasst).

Hingegen beurteilen rund 46 % der Befragten es als wichtig, Unterstützung durch ihren Betrieb beim Transfer neu erworbener Kenntnisse und/oder Fähigkeiten an Kolleginnen und Kollegen zu erfahren. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass 58 % der Personen mit Führungsverantwortung die betriebliche Unterstützung als wichtig erachten, von den Personen ohne Führungsverantwortung nur rund 41 %. Zwei mögliche Erklärungen könnten sein, dass Führungspersonen Gelerntes in der Regel an mehr Personen weiterzugeben haben und daher entsprechende Kapazitäten für ebendiese Mitarbeitenden geschaffen werden müssen, oder die neuen Kompetenzen zu stärkeren Anpassungen bestehender betrieblicher Prozesse führen.

Wie wichtig den Befragten arbeitsrelevante Aspekte sind, zeigt sich anhand der dritten Aussage: 63 % stimmten zu, dass sich die Lerninhalte an der Wirklichkeit orientieren sollten. Der praktischen Relevanz von Inhalten wird somit ein hoher Stellenwert beigemessen, sodass bei der inhaltlichen Ausgestaltung von Weiterbildungen bzw. E-Learning-Modulen stets ein solcher Fokus gesetzt werden sollte, um für eine möglichst hohe Motivation der Lernenden zu sorgen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass wichtige Kriterien für gute Weiterbildung unter anderem darin bestehen, Lehr-/Lerninhalte an der betrieblichen Realität der Beschäftigten zu orientieren. Wie lassen sich diese etwas abstrakten Erkenntnisse nun mit einer zielführenden Didaktik verknüpfen?

Welche Rolle spielen Faktoren hinsichtlich der verwendeten Methodik und Didaktik, beispielsweise etwa der Einsatz spielerischer Elemente?

Eine didaktische Einbettung von Lehr- und Lerninhalten ist nicht nur aus pädagogischer Perspektive notwendig, didaktisch aufbereitetes Lernen ist auch bei der Zielgruppe in einem hohen Maße nachgefragt – deutlich mehr als die Hälfte der Beteiligten unserer Umfrage sprachen sich dafür aus und nur 5-8 % stuften die Kriterien für didaktisch angeleitetes, feedbackorientiertes Lernen als unwichtig ein.

Im Einzelnen heißt das methodisch-didaktisch: Den Lernenden sollten klare Zielstellungen genannt werden, die es zu erreichen gilt. Das könnten im betrieblichen Kontext etwa der Aufbau expliziten Wissens bestimmter Sachverhalte, Abläufe, Technik/Maschinen, oder auch kognitiver Kompetenzen wie Methoden, Vorgehensweisen oder Strategien sein.

Ebenfalls gaben über 60 % der Befragten an, den eigenen Lernerfolg anhand von Übungsaufgaben selbst kontrollieren zu wollen. Gehen wir von einem digitalen Lernmodul aus, hieße dies, dass nicht nur regelmäßige Quizze bzw. Tests eingebaut werden sollten, sondern dass auch das Feedback des Moduls bei falschen Antworten beispielsweise Fallstricke verdeutlicht oder nochmals auf das betreffende Kapitel innerhalb des Kurses verwiesen oder – besser noch – verlinkt wird.

Besonders in formalen Lernkontexten – manche mögen es auch „trockene Themen“ nennen – die weniger den beruflichen Alltag bestimmen und in wiederkehrenden Intervallen gesetzlich vorgeschrieben sind, wie etwa Daten- oder Arbeitsschutz, kann der Einsatz spielerischer Elemente sehr sinnvoll sein und die Motivation der Lernenden erhöhen bzw. aufrechterhalten (vgl. Treumann et al., 2012, S. 291).

„In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zu extrinsisch bestimmten Lerngründen mit einer intrinsischen Lernmotivation in der Regel ein erheblich größerer Lernerfolg verbunden ist.“ (Treumann et al., 2012, S. 218)

Abgeleitete mögliche Umsetzung mittels digitaler Formate:

  • Gamification
    • Individuell entwickelte Lernspiele
    • Badges/Abzeichen für das Erreichen bestimmter kleinteiliger Ziele im Lernprozess
    • Kompetitive Elemente, z. B. Punktesystem bei Lernmodul/Quiz und Rangliste aller Lernenden
    • Wartezeiten in virtuellen Klassenzimmern mit Interaktionsmöglichkeiten überbrücken (z. B. Quiz, Umfrage oder themenunabhängige Spiele wie Schere-Stein-Papier)
  • Methodisch-didaktische Vielfältigkeit
    • Lernmodul sollte nicht auf jeder Seite nahezu identisch gestaltet sein
    • Exploratives Verhalten fördern, z. B. Info-Boxen, weiterführende Informationen, Abbildungen etc.
    • Medienvielfalt, z. B. Text, Video, Animationen, interaktive Illustrationen

Welche Präferenzen bestehen hinsichtlich Möglichkeiten zur sozialen Interaktion [sowohl zwischen den Lernenden untereinander als auch zwischen ihnen und den Lehrenden]?

Unabhängig davon, wie hoch der Grad der Eigenständigkeit während des Lernprozesses sein mag, sollte stets die Möglichkeit für inhaltliche Rückfragen gegeben sein, sei es per E-Mail, im Rahmen fester Telefonzeiten oder innerhalb einer eigens dafür vorgesehenen „Fragestunde“, für die eine oder mehrere Personen mit entsprechender Expertise einzuplanen ist. Diesen expliziten Wunsch hinsichtlich einer Rückfragemöglichkeit äußern 65 % der Befragten [siehe Abb. 2, Aussage 3].

Die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Mitlernenden wird von 49 % der Befragten als eher bis sehr wichtig erachtet. 14 % sehen dies hingegen als eher bzw. gar nicht wichtig. Auch wenn der Wunsch nach einem Austausch mit anderen Mitlernenden laut Befragung nicht oberste Priorität hat, ist diese Art der Vernetzung gewünscht und mit überschaubarem Aufwand realisierbar. In Frage kommen hierfür etwa E-Mail-Verteiler, Gruppen innerhalb Messenger-Apps über Smartphones, ein Chatraum bzw. Forum auf der eigenen Lernplattform, virtuelle Meetingräume oder aber Austauschmöglichkeiten in Präsenz.

Welche Eigenschaften von E-Learning-Angeboten sind relevant für die Weiterbildungsqualität?

Da der Qualitätsbegriff bisher keine einheitliche Definition gefunden hat und stark vom Kontext bzw. der jeweiligen Fragestellung abhängt, wird nachfolgend davon ausgegangen, dass sich Qualität insbesondere auf die Zweckmäßigkeit von E-Learning-Angeboten im Bereich beruflicher Weiterbildungen bezieht (vgl. Ehlers, 2011, S. 64). Das heißt, ein hohes Maß an Weiterbildungsqualität liegt vor, wenn einerseits die Anforderungen der Lernenden (persönliche Weiterbildungsziele) sowie andererseits die Ziele des „Versorgers“ bzw. des Produzenten, also im vorliegenden Fall des Betriebs (institutionelle Ziele), erfüllt werden können.

Ob eine Weiterbildungsmaßnahme für alle Teilnehmenden persönlich als „lernwirksam“ bezeichnet werden kann, ist von vielen, leider auch schwer operationalisierbaren, Faktoren abhängig, wie etwa den kognitiven Fähigkeiten der Lernenden (Treumann et al., 2012, S. 66). Weiterhin ist problematisch, dass Kriterienkataloge finanzielle Aufwände unberücksichtigt lassen, die insbesondere für KMU mit ihren vergleichsweise begrenzten finanziellen Mitteln vermutlich ein entscheidender Faktor bei der Entscheidung für oder gegen ein E-Learning-Angebot sein dürfte (ebd.).

61 % der Befragten ist es eher bis sehr wichtig, selbstständig lernen zu können sowie von 62 %, denen es eher bis sehr wichtig ist, Aufgabenstellungen eigenständig durcharbeiten zu können.

E-Learning-Angebote sind in der Regel ortsunabhängig, wobei aber nicht zwangsläufig dezentrale Varianten zwingend sind (z. B. Schulungsräume im Unternehmen). Des Weiteren kann zeitunabhängiges, selbstbestimmtes bzw. selbstgesteuertes Lernen von Vorteil sein, offenbart aber auch Schwierigkeiten u. a. wenn das Material hinterfragt wird und geeignete Stellen für Rückfragen nicht gegeben sind.

Will man diese fünf Faktoren – Selbstständigkeit, Ortsunabhängigkeit, Zeitunabhängigkeit, Lerntempo und Eigenständigkeit – allesamt „abdecken“, kommen insbesondere asynchrone Lehr-/Lernformate in Frage, wie etwa Web Based Trainings, Video on demand, Lern-Apps für mobile Endgeräte usw. Dem entgegen würden synchrone Lernformate stehen, also vor allem Live-Online-Trainings in virtuellen Klassenräumen.

Die eigene Anonymität während des Lernens ist 39 % der Befragten wichtig. Je nach Setting kann eine Anonymisierung der Lernenden schwer umsetzbar sein, etwa wenn es sich um zeitsynchrone Lerneinheiten mit einer Lehrkraft handelt, und bestimmte Lernleistungen zur Erreichung gewisser Kompetenzen nachgewiesen werden müssen bzw. mit dem Erwerb von Zertifikaten verbunden sind.

Viele E-Learning-Angebote lassen jedoch problemlos Anonymisierung zu. So können Lernende beispielsweise auf einer Lernplattform unter einem Nicknamen mit den Lerninhalten und Mitlernenden interagieren. Dieser Nickname findet nicht nur in den Lernmodulen selbst, sondern auch in den Austauschmöglichkeiten wie Foren oder Chat-Räumen Anwendung. Auf Seiten des Betriebs als Auftragsgeber bzw. Anbieter sollte ggf. sichergestellt werden, dass Teilnehmende auf entsprechenden Plattformen nicht verpflichtet sind, Informationen anzugeben oder zugänglich zu machen, die Rückschlüsse auf die Person zulassen, z. B. Klarname, E-Mailadresse, Profilbild usw. Daher scheint es naheliegend zu sein, dass Betriebe prüfen sollten, inwiefern betriebliche Gründe gegen eine Anonymisierung sprechen.

Zusammenfassung und Implikationen

Von den genannten möglichen 18 Einflussfaktoren auf die Qualität des Lernprozesses, kommt dem praktischen Nutzen der Lerninhalte die subjektiv größte Bedeutung zu: Er wurde von ca. 70 % der Befragten als eher wichtig oder sehr wichtig bewertet – nur knapp 5 % sehen darin einen gar nicht wichtigen oder eher unwichtigen Faktor. Am wenigsten relevant hingegen ist für die Befragten, ob sie während des Lernens ihre Anonymität wahren können, dicht gefolgt von spielerischen Elementen während des Lernprozesses, wenngleich bei letzteren Differenzierungen hinsichtlich des Alters der Befragten erkennbar waren.

Festzustellen ist, dass sämtliche Antwortmöglichkeiten überwiegend Zustimmung erfahren haben bzw. aus Sicht der Befragten wünschenswert im Kontext betrieblicher Weiterbildungen sind. So gibt es zwar bei jedem Item ca. ein Drittel Unentschlossene, die mit „Unentschieden“ antworteten, jedoch haben bis auf wenige Ausnahmen stets weniger als 10 % angegeben, dass Ihnen ein bestimmtes Weiterbildungsmerkmal „Gar nicht wichtig“ bzw. „Eher unwichtig“ ist. Zu diesen Ausnahmen zählen spielerisches Lernen, der Austausch mit anderen Mitlernenden, die Unterstützung durch den Betrieb für den Transfer des Erlernten an Kolleginnen und Kollegen sowie die Wahrung von Anonymität, die jeweils zu 14 bis 19 % als tendenziell bis vollkommen unwichtig eingeschätzt worden sind.

Insbesondere für KMU, die im Gegensatz zu größeren Unternehmen in der Regel weder interne Weiterbildungsabteilungen noch hierfür vorgesehene große Budgets und somit einen begrenzten Handlungsspielraum haben, lässt sich anhand der Studienergebnisse festhalten, dass Weiterbildungen sich stark an der Wirklichkeit der Beschäftigten orientieren sollten (über 60 % halten dies für eher bis sehr wichtig) und die praktische Relevanz bei entsprechenden Maßnahmen im Vordergrund stehen sollte (über 70 % Relevanz). Weitere Faktoren wie Eigenständigkeit in Bezug auf das Lerntempo und die Lernzeit legen nahe, dass es durchaus sinnvoll sein kann, der Belegschaft asynchrone Lerneinheiten mit digitalen Lösungen anzubieten. Beispielhaft könnten in diesem Zusammenhang Web Based Trainings (WBTs) oder Screencasts bzw. Videoformate genannt werden. Diese Lösungen können nicht nur zeit- und ortsunabhängig abgerufen werden, sondern erlauben es den Lernenden auch, in gewissen Grenzen ein individuelles Lerntempo zu wählen. Die allermeisten WBTs ermöglichen zudem bei Tests und Quizfragen qualifizierte Rückmeldungen auf die gegebenen Antworten zu geben. Außerdem können Learning-Management-Systeme bzw. „Learning-Experience-Plattformen“ je nach Abschneiden innerhalb eines Lernmoduls unterschiedliche Lernpfade vorgeben, damit Lernende nicht über- oder unterfordert werden.

Literatur

Ehlers, U.-D. (2011). Qualität im E-Learning aus Lernersicht (2. Auflage). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Treumann, K. P., Ganguin, S. & Arens, M. (2012). E-Learning in der beruflichen Bildung: Qualitätskriterien aus der Perspektive lernender Subjekte (1. Auflage). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Knoll, M., Dietz, C., thor Straten, L. (2020). Kurzbericht 08/20. Panelstudie zum Wandel der Arbeit im Kontext der digitalen Transformation in Deutschland. Vorstellung von Zielen, Inhalten und Methodik der Panelstudie