Wissenspool-Beitrag

Workshop: Pflege im digitalen Wandel

Nachlese zur Veranstaltung vom 6. September 2022 in Leipzig
06.09.2022
Lesezeit: ca. 21 min

Am 6. September 2022 trafen sich Vertreter:innen der Pflege-Praxis, Wissenschaftler:innen, Beratende aus regionalen Zukunftszentren und Mitglieder diverser Digitalisierungsprojekte aus dem Pflegebereich zu dem Workshop „Pflege im digitalen Wandel“ in den Räumen der BIO CITY Leipzig.Die 24 anwesenden und 12 virtuell zugeschalteten Teilnehmer:innen waren von den Veranstaltern (Universität Leipzig, Zentrum digitale Arbeit) eingeladen, Ihre Erfahrungen aus Digitalisierungsprozessen zu teilen und Neues zu entdecken. Im Fokus standen dabei innovative Technologien und digitale Qualifizierungsangebote, die vor Ort selbst ausprobiert werden konnten. Expertinnen und Experten gaben zudem Impulse für die Gestaltung von Digitalisierung in Pflegeunternehmen und Einrichtungen und berichteten von ihren eigenen Beratungserfahrungen.

Auftakt und Impulsvortrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Zunächst begrüßte der Hauptorganisator der Veranstaltung, Tobias Struck (Zentrum digitale Arbeit und Mitarbeiter der Universität Leipzig), die Teilnehmenden und führte in den Hintergrund und die Zielstellung der Veranstaltung ein.

Den Auftakt der Impulsvorträge bildete Marlen Melzer (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA) mit einem Übersichtsbeitrag zu Digitalisierungstrends in pflegerischen Tätigkeiten.

Frau Melzer stellte zunächst mehrere Studien der BAuA vor, in denen u.a. deutlich wurde, für welche Tätigkeiten innerhalb der Pflege digitale Technologien als hilfreich eingeschätzt werden. Auf Grundlage dieser Studien plädierte sie für einen reflektierten und disziplinierten Technikeinsatz.

Im zweiten Teil ihres Vortrages gab Frau Melzer einen Einblick in einen in Kürze verfügbaren Überblicksbeitrag, den die Arbeitsgruppe “Arbeitsgestaltung bei personenbezogenen Dienstleistungen” aktuell erstellt. In diesem Überblicksbeitrag wurden 70 digitale Pflegetechnologien identifiziert, wovon 30 ausführlicher beschrieben wurden. Die damit vorliegende systematische Aufbereitung kann einen wertvollen Rahmen bieten für die Auswahl und Einschätzung von digitalen Technologien in der Pflege.

Vortrag „Lehr-Lern-Konzepte für die Pflege“

Im zweiten Beitrag des Tages stellte Julia Müller vom Regionalen Zukunftszentrum Sachsen-Anhalt digitale Lehr-Lern-Konzepte für die Pflege vor. Der Bereich Pflege stellt einen Schwerpunkt in Beratung, Weiterbildung und Vernetzung des Zukunftszentrums dar.

Anja Girschik berichtete im Anschluss von ihren Erfahrungen im Rahmen von Digitalisierungsprojekten bei der Volkssolidarität.

Dabei ging es v.a. darum, wie die zu pflegenden bzw. die Pflegeempfänger:innen in den Prozess der Pflege einbezogen werden können und bei der Nutzung digitaler Technologien unterstützt werden können. Mit Interesse wurde weiterhin aufgenommen, wie die Volkssolidarität als Verband Digitalisierungsprozesse in ihren verschiedenen Einrichtungen koordiniert.

Bei der Frage, wie digitale Technologien in einrichtungsübergreifende Arbeitsabläufe integriert werden können, wurde auch die Rolle politischer Akteure als Rahmengeber diskutiert.

Vortrag „Untersuchung von Digitalisierung mit Vignettenstudien“

Präsentation des Referenten:

Im dritten Beitrag stellte Richard Janzen ein Kooperationsprojekt des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Leipzig mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vor.

Bei diesem Projekt geht es um den Einsatz von Vignetten zur frühzeitigen Einschätzung der Wirkungen (und Nebenwirkungen) von Technologieeinsatz in der Pflege. Vignetten haben den Vorteil, dass auch solche Technologien eingeschätzt werden können, die derzeit noch nicht weit verbreitet sind. Damit soll es möglich werden, frühzeitig Chancen und Risiken sowie ggf. Anpassungsbedarfe neuer Technologien zu erkennen.

Impressionen der Veranstaltung

Vortrag „Praxisbeispiel Pflegesoftware in selbstorganisierten Pflegeteams“


Nach einer Mittagspause, die zum Ausprobieren der Vignetten und zum Informationsaustausch genutzt wurde, stellten Robert Wolf (Bosold Pflege GmbH) und Kristin Gilbert (Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln, TU Dresden) Zwischenergebnisse des SO-SERVE (Social Service Engineering) Projektes vor.

In diesem Projekt geht es u.a. darum, wie Digitalisierung selbstorganisiert arbeitende Pflege-Teams und im Rahmen des Konzepts der Nachbarschaftspflege unterstützen kann. Es zeigte sich u.a., dass bestehende Strukturen, Incentive-Systeme und Denkmuster die Einführung innovativer Konzepte der Arbeitsorganisation in der Pflege erschweren können. Weiterhin zeigte die Evaluation des Projektes, dass Rollen- und Verantwortungsdiffusion bei selbstorganisierten Teams auftreten können. Frau Gilbert präsentierte einen online verfügbaren Methodenkoffer vor, mit dem Interaktionsarbeit verbessert und zur Zufriedenheit aller beteiligten Akteure beigetragen werden kann.    

Präsentation der Referenten:

Vortrag „Online-Trainings für Plegeberufe“

Robert Winkler von der TU Dresden stellte im Anschluss ausgewählte Ergebnisse des PENELOPE-Projektes vor, das sich der Förderung der seelischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit in der stationären und mobilen Pflege widmet.

Herr Winkler reicherte seinen Beitrag zu Techniken der Erholung und Entspannung für Pflegende, die in Form von kurzen Online-Kursen erlernbar sind, mit einer Reihe praktischer Übungen an. Weiterhin bestand in der Pause die Möglichkeit, die Übung im von den Organisatoren bereitgestellten Computerpool und mit bereitstehenden Tablets selbst auszuprobieren. Herr Winkler lud explizit ein, auf der Webseite des Projektes kostenlose Kurse zu den Themen Pausen und Erholung, Entspannung im Arbeitsalltag und Emotionale Kompetenzen zu belegen. 

Workshop des Regionalen Zukunftszentrums Brandenburg

Im letzten Beitrag des Tages nahmen Birgit Lisewitzki und Florian Breitinger die Teilnehmer:innen mit in einen Digitalisierungs-Workshop, wie er vom Regionalen Zukunftszentrum Brandenburg angeboten wird.

Neben praktischer Übungen gaben die beiden einen Einblick in die Beratung kleiner und mittelständiger Unternehmen (darunter viele in der Pflege). Es wurde dabei u.a. deutlich, dass soziale und technische Prozesse meist verknüpft sind und technische Veränderungen oft Möglichkeiten der Veränderung in anderen Bereichen bedingen.

Der Tag wurde abgerundet durch eine Diskussion aller Beteiligten. Es wurde u.a. thematisiert, dass die Potentiale der Digitalisierung einzelner Prozesse oder einzelner Schritte der Pflege häufig ausgebremst wird durch Schnittstellenprobleme (z.B. zwischen verschiedenen an der Pflege beteiligten Akteuren/Institutionen) und ein Fehlen von Standarddokumenten (und damit einhergehenden Passungsproblemen). Hier wurde der Wunsch nach langfristigen Perspektiven und (akteurs-)übergreifenden Strategien geäußert. Weiterhin wurde angemerkt, dass überdacht werden sollte, welche Bilder (u.a. im Technikdiskurs und in der öffentlichen Wahrnehmung) mit der Pflege assoziiert werden und was tatsächlich Gegenstand der Tätigkeit in der Pflege ist. Letztlich wurde auch thematisiert, dass es “die Pflege” so nicht gibt, sondern dass es sich um eine heterogene Gruppe von Akteuren handelt, die je eigene Interessen, Bedürfnisse und Potentiale einbringen.

Autor
M. Sc. Tobias Struck

Universität Leipzig
Arbeits- und Organisationspsychologie
Neumarkt 9-19
04109 Leipzig

Autor
Dr. Michael Knoll

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig

Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
Universität Leipzig
Institut für Psychologie
Neumarkt 9-19
04109 Leipzig