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Industrie 4.0: Mit KI durch die 4. Industrielle Revolution

26.12.2022
Lesezeit: ca. 10 min
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Was ist Industrie 4.0?

Nach der ersten industriellen Revolution, die die Nutzung von Dampfkraft für Maschinen entdeckte, durch Anwendung von Elektrizität bei Massenproduktion in der zweiten industriellen Revolution, setzte die vierte industrielle Revolution das fort, was die dritte Revolution mit Computern, IT und Automatisierung begann: Industrie 4.0 ergänzt Computersysteme nun mit künstlicher Intelligenz und bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie. In der notwendigen Beschleunigung unternehmerischer Entscheidungs- und Anpassungsprozesse liegt der wesentliche wirtschaftliche Hebel von Industrie 4.0. Dies gilt sowohl für Effizienzverbesserungsprozesse in Entwicklung, Produktion, Service, Marketing und Vertrieb als auch für die Ausrichtung ganzer Unternehmensbereiche oder Anpassungen im Geschäftsmodell.

Nutzen und Voraussetzungen für KMU:

Vorangetrieben wird diese Entwicklung durch stetig steigende Kundenanforderungen insbesondere bezüglich Individualisierung, Servicequalität und Reaktionsgeschwindigkeit. Beispielsweise in der Produktion wird durch Industrie 4.0 nicht nur die dezentrale Produktionssteuerung individueller Teile und von Kleinstserien möglich („Losgröße 1“), sondern auch die Dokumentation und Steuerung des Ressourcenverbrauchs, also der Materialien und der eingesetzten Energie für jedes Werkstück.

  • Interoperabilität: Maschinen, Geräte, Sensoren können miteinander und auch mit Menschen kommunizieren und interagieren. 
  • Transparenz: Mit Hilfe von Sensoren werden digitale Kopien realer Objekte erstellt, die es mit Hilfe entsprechender digitaler Modelle ermöglichen zu untersuchen, was am physischen Objekt passiert. Insofern liegen alle Informationen über alle Prozesse auch gleich in digitaler Form vor. 
  • Decision Support: Auf Basis der gesammelten und verarbeiteten Daten können Systeme Menschen unterstützen, Entscheidungen zu treffen. Die Automatisierung wird dabei so vollständig gestaltet, wie es möglich und sinnvoll ist. 
Abb. 1: Industrie 4.0-Readiness Online-Selbst-Check für Unternehmen1

Diese 4. Industrielle Revolution kann also nur dann umgesetzt werden, wenn Unternehmen ausreichend digitalisiert sind. Die IMPULS-Stiftung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. stellt daher einen knapp 15-minütigen Online-Selbsttest für Unternehmen bereit, um anhand von sechs zentralen Dimensionen (Unternehmensentwicklung & Firmenkultur, Produktion, Prozesse, Produkte, Dienstleistungen sowie Qualifizierung) herauszufinden, wie gut ein Unternehmen hinsichtlich Industrie 4.0 aufgestellt ist und in welchen Bereichen noch Entwicklungspotential besteht. Dieser sog. Industrie 4.0 – Readiness Online Selbstcheck ist kostenfrei verfügbar unter https://www.industrie40-readiness.de

Abb. 2: Modellaufbau des acatech Industrie 4.0 Maturity Index2

Eine entsprechende Studie zur Gestaltung der digitalen Transformation in Unternehmen, zu der u.a. Professor Antonio Krüger, CEO und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) GmbH maßgeblich beigetragen hat, stellt mit dem sog. Industrie 4.0 Maturity Index einen guten Leitfaden zur Verfügung, um den notwendigen digitalen Transformationsprozess einzuleiten und zu implementieren. Auch dieser ist online frei verfügbar: https://www.acatech.de/publikation/industrie-4-0-maturity-index-update-2020/ 

Dabei ist die Digitalisierung und die Umsetzung von Industrie 4.0 auch für KMU finanziell machbar, wie Professor Antonio Krüger, CEO und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) GmbH  in seinem Interview vom 27.06.2022 erklärt: „Die gute Nachricht für jeden Mittelständler, der eigene Digitalisierungslücken entdeckt, ist, dass die Kosten für das Retrofitting, also die digitale Veredelung von Bestandsanlagen, stark gesunken sind, so dass Nachholbedarf finanzierbar geworden ist. Noch wichtiger aber ist die Nachricht, dass für die Teilnahme an der „Industrie 4.0“ kein Neubau auf der grünen Wiese notwendig ist.“

Mögliche Anwendungsbereiche für KMU:

Für Unternehmen gibt es passgenaue Möglichkeiten, Industrie 4.0 um- und einzusetzen. Zum Beispiel können durch eine digitale Vernetzung der unterschiedlichen Lieferanten entlang der gesamten Lieferkette die einzelnen Produktionsschritte besser abgestimmt, die Auslastung der Maschinen genauer geplant und die Produktion insgesamt flexibler und bedarfsgerechter gestaltet werden. Algorithmen berechnen ideale Lieferwege, Maschinen melden selbständig, wenn sie neues Material benötigen – die smarte Vernetzung ermöglicht einen nachhaltigen Warenfluss. Auch rücken Konsument und Produzent näher zusammen um kundenzentrierte Lösungen und Produkte zu schaffen: Die Kunden können Produkte selbst nach ihren Wünschen mitgestalten, z.B. können Elemente auf Turnschuhen selbst designed werden oder die Schuhe können auf die individuelle Fußform hin angepasst werden. Im Rahmen von Industrie 4.0 sind Produktionsstraßen modular aufgebaut, so dass Sie sich schnell für verschiedene Aufgaben anpassen lassen. Produktivität und Wirtschaftlichkeit werden verbessert, individualisierte Produkte können auch in kleiner Stückzahl zu bezahlbaren Preisen hergestellt werden.

Dabei ist Industrie 4.0 keineswegs nur im Rahmen der Produktion anwendbar. Entsprechende Erfolgsgeschichten gibt es auch aus den Bereichen Logistik, Beratung, Handwerk, Aus- und Weiterbildung u.v.m. Um die digitale Transformation in Unternehmen zu erleichtern und den Wandel (be-)greifbar zu machen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung die Online-Plattform Industrie 4.0 ins Leben gerufen. Hier werden unter https://www.plattform-i40.de/ die fachlichen Grundlagen geschaffen und verfügbar gemacht und somit ein zentraler Beitrag geleistet, die Nachhaltigkeitspotentiale in Unternehmen voll auszuschöpfen, Produktionsprozesse zu optimieren und auch die Klimaziele (wie z.B. Klimaneutralität bis 2045) zu erreichen. Neben wichtigen Informationen und Unterlagen werden hier auch zahlreiche Anwendungsbeispiele und Case Studies zur Verfügung gestellt.

Weiterführende Informationen:

  • Reifegrad: Industrie 4.0 wird erfolgreich als Standard in den unterschiedlichsten Einsatzbereichen eingesetzt wie oben beschrieben. 
  • Beratung:
    • Mittelstand-Digital Zentrum Saarbrücken (https://www.mittelstand-digital.de): Information, Qualifikation und Services von Unternehmen (insbesondere Entscheidungsträgern) für Digitalisierungsprojekte 
    • Regionales Zukunftszentrum für Künstliche Intelligenz und Digitale Transformation (https://rzzki.de/): Unterstützung und Information bei der Einführung von Industrie 4.0 mit Schwerpunkt auf Arbeitsgestaltung, Wirtschaftlichkeit, Mitbestimmung, Organisations- und Personalentwicklung 
  • Forscher:innen und Anbieter: Bei Fragen zu Industrie 4.0 steht Ihnen Dr. Anselm Blocher vom Fachbereich für Kognitive Assistenzsysteme des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) GmbH gerne zur Verfügung (anselm.blocher@dfki.de, +49 681 85775 5262). 

Quellenverzeichnis

1. https://www.industrie40-readiness.de/

2. Günther Schuh, Reiner Anderl, Roman Dumitrecu, Antonio Krüger, Michael ten Hompel (Hrsg.): “acatech Studie Industrie 4.0 Maturity Index. Die digitale Transformation von Unternehmen gestalten. Update 2020

Autorin
Andrea Lösch

Andrea Lösch ist Senior Consultant am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) GmbH wo sie das Networking Office des European Digital Innovation Hubs für die Industrie (IDIH-Saarland) leitet. Dabei werden KMU beim Einsatz von KI und bei der Digitalisierung von industriellen Dienstleistungen regional und überregional unterstützt und grenzüberschreitende Kooperationen zwischen Forschung und Wirtschaft, zwischen forschungsgetriebenen Start-ups und KMU in der Großregion ermöglicht.

Andrea Lösch