Wissenspool-Beitrag

Künstliche Intelligenz in Kitas: Elterngespräche mit Simultanübersetzung

04.09.2022
Lesezeit: ca. 9 min
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Unternehmen: FRÖBEL e.V., Kompetenz für Kinder

Unternehmensgröße: 5.000 Mitarbeiter:innen

(Betrieblicher) Einsatzbereich: Forschung und Entwicklung

Einführungszeitraum: von Frühjahr bis November 2021

KI-Methode/n: Spracherkennung, Sprachverstehen, Spracherzeugung

KI-Partner: Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI)

Gründe für den KI-Einsatz

Sprachbarrieren können in der frühen Bildung eine große Hürde sein. Besonders in großen Städten liegt der Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache teilweise deutlich höher.

Deshalb müssen in Gesprächen zwischen pädagogischen Fachkräften und nicht oder wenig Deutsch sprechenden Eltern häufig Sprachmittler*innen hinzugezogen werden. Dies kann jedoch bei sensiblen Themen für Eltern unangenehm sein. Für die Kitaleitung und pädagogischen Fachkräfte bedeutet es einen zusätzlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand.

Wurden bisher versuchsweise konventionelle Übersetzungs-Apps als Sprachmittler eingesetzt, haben sich diese in Praxistests als ungeeignet für die Kommunikation mit Eltern erwiesen, da sie pädagogische Begriffe (z.B. „Eingewöhnung“) nicht adäquat wiedergeben.

Ein speziell angepasstes KI-System wurde daher zum Einsatz in Kitas entwickelt, um Sprachbarrieren zu überwinden. Ganz konkret wurde eine App entwickelt, die Gespräche im pädagogischen Kontext simultan übersetzt und dabei relevante Begriffe für das Sprachpaar Hocharabisch – Deutsch umfasst.

„Als FRÖBEL uns diese Projektidee vorstellte, waren wir sofort begeistert. Das Projekt verbindet aktuelle Forschung im Bereich maschineller Übersetzung mit einem sehr konkreten und erwartbar zeitnahen Nutzen für die pädagogische Praxis. KI soll dem Menschen dienen – wenn wir sie nutzen können, um Sprachbarrieren in besonderen Settings abzubauen, wird sie diesem Anspruch gerecht.”

Dr. Stefan Schaffer, DFKI GmbH
Dr. Stefan Schaffer, DFKI GmbH

Es gibt zwar bereits einige Übersetzungs-Apps, die in vielerlei Hinsicht bereits gut funktionieren, allerdings gibt es für Fröbel zwei wichtige Punkte, die nicht erfüllt werden:

  • DSGVO Konformität: Aufgrund der Datenlage insbesondere im Zusammenhang mit Kindern, muss die Lösung lokal laufen
  • Spezialvokabular: Im Szenario gibt es viele Begrifflichkeiten, die einzigartig sind, bzw. sich von herkömmlicher Nutzung unterscheiden und die deswegen keine Übersetzung haben

Beschreibung der Anwendung

Das Projekt „SpeechTrans4Kita“ startete im Frühjahr 2021 mit dem Ziel, einen Prototypen für eine App (Demonstrator) zu entwickeln, die simultan Dialoge im pädagogischen Kontext übersetzt.

Die Entscheidung fiel für das Sprachpaar Hocharabisch – Deutsch, da hier seitens der pädagogischen Fachkräfte bei FRÖBEL der größte Bedarf gesehen wird und eine präzise Übersetzung besonders komplex ist.

Hierfür sammelten Forschende gemeinsam mit Testpersonen, wie Eltern, Studierenden der FRÖBEL Akademie und pädagogischen Fachkräften, Ausdrücke, Begriffe und Formulierungen klassischer Elterngespräche. Das daraus entstandene Glossar bildete die Grundlage für eine Open Source-Datenquelle. Der Übersetzungs-App-Prototyp lernte, und durch das intensive „Training“ wurde die Qualität der Übersetzungen immer besser.

In diesem Projekt wurde Open Source Software verwendet, insb. Hugging Face, sowie vortrainierte Übersetzungsmodelle für Deutsch-Arabisch und Deutsch-Ukrainisch.

Vorteile im Unternehmen durch den KI-Einsatz

Ziel des Projektes war es, einen Demonstrator in Form einer intelligenten Übersetzungs-App zu präsentieren und die Vorteile des Systems aufzuzeigen:

  • Durch die nutzerfreundliche, sehr reduzierte Oberfläche ist die App intuitiv bedienbar
  • Ihr Einsatz ermöglicht mehr Flexibilität und Diskretion in der Kommunikation
  • Ängste und Unsicherheiten können bei Sorgeberechtigten in Gesprächssituationen verringert werden

Von einem realen Einsatz in der Praxis ist dieser Demonstrator allerdings noch einige Schritte entfernt.

Änderungen im Betrieb durch den KI-Einsatz

Die Proband:innen auf beiden Seiten waren begeistert von den Chancen und Möglichkeiten, die mit einer intelligenten Übersetzungs-App für den Praxiseinsatz im Betrieb verbunden sind:

  • Sorgeberechtigte werden ermutigt, selbst das Gespräch mit Fachkräften zu suchen
  • Fachkräfte können wiederum zugleich motiviert werden, mehr auf Eltern zuzugehen, mit denen die Kommunikation durch Sprachbarrieren erschwert ist.

Herausforderungen

Der bereits entwickelte Prototyp wird in einer nächsten Projektphase zu einer KI-gestützten App weiterentwickelt, die von pädagogischen Fachkräften in der Praxis erprobt werden kann.

Unter anderem sollen der natürliche Gesprächsfluss verbessert, weitere pädagogische Fachbegriffe und Begriffe zur Beschreibung der Entwicklung von Kindern hinzugefügt sowie die Spracherkennung ausgebaut werden.

Wie wurde im Unternehmen Akzeptanz für den KI-Einsatz geschaffen?

Die Testpersonen waren u.a. Teil des Unternehmens und wurden in die Entwicklung der Übersetzungs-App mit eingebunden. Sie konnten sich dadurch selbst davon überzeugen, dass eine gute Übersetzungs-App den Beziehungsaufbau zu Familien mit nicht-deutscher Familiensprache entscheidend erleichtern und fördern wird.

Videobeispiel

Künstliche Intelligenz in Kitas: Elterngespräche mit Simultanübersetzung
 

Autor
Dr. Aljoscha Burchardt

Dr. Aljoscha Burchardt ist Principal Researcher und stellvertretender Standort­sprecher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Berlin. Er ist Experte für Sprach­techno­logie und Künstliche Intelligenz. Burchardt ist Senior Research Fellow des Weizenbaum-Institutes für die vernetzte Gesellschaft und stell­ver­tre­ten­der Vorsitzender der Berliner Wissenschaftlichen Ge­sell­schaft. Außerdem war er als Sachverständiger Mitglied der Enquete-Kommission “Künstliche Intelligenz” des Deutschen Bundestages.

Dr. Aljoscha Burchardt
Autorin
Charlene Röhl

Seit Oktober 2020 arbeitet Charlene Röhl als Researcherin im Forschungsbereich Speech and Language Technology (SLT) unter der Leitung von Sebastian Möller, am DFKI Berlin. In ihrer Position als Researcherin und Projektmanagerin im Projekt Evalitech forschte Charlene an der Entwicklung einer innovationsorientierten Evaluationsmetrik für den Bereich Industrie 4.0 auf Basis von Methoden Künstlicher Intelligenz, wie z. B. Information Retrieval und Informationsextraktion.

Charlene Röhl
Autor
Dr. Sven Schmeier

Dr. Sven Schmeier ist Chefingenieur und stellvertretender Leiter des Speech & Language Technology Lab des DFKI. Er hat mehr als 30 nationale und internationale Projekte in Forschung und Industrie erfolgreich geleitet. Sven war und ist in der Gründungsphase von High-Tech-Unternehmen und Spin Offs des DFKI aktiv.

Dr. Sven Schmeier