Aktuell fehlen bereits in einigen Bereichen unserer Gesellschaft, wie in der Pflege oder Ausbildung und insbesondere in der öffentlichen Verwaltung, Zehntausende von Arbeitskräften. Auch wenn diese Bereiche schon heute überlastet sind, wird der Mangel an Fachkräften in den nächsten Jahren. deutlich weiter ansteigen. Dennoch fürchten viele Menschen um ihren Arbeitsplatz – durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI).
Im Fachdialog des „KI-Observatoriums“ des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) haben sich daher Vertreter:innen aus Wissenschaft, Gewerkschaften, Unternehmen, Zivilgesellschaft und Verbänden zusammengefunden, um gemeinsam Strategien für ein gutes Mensch-Technik-Verhältnis beim Einsatz von KI in Arbeitsprozessen zu entwickeln1. Zwar gibt es bereits von Arbeitgeberseite2 Handlungsempfehlungen, die Bedeutung von Co-Designs (der gemeinsamen Softwareentwicklung mit den Nutzer:innen)3 und partizipativen Gestaltungsprozessen4 wird aktuell aber bislang unterschätzt. Der folgende Artikel beinhaltet eine Auswahl relevanter Erkenntnisse der Fachdialoge5 der Autor:innen dieses Beitrags.
1. Gestaltungsauftrag annehmen
Wer sich auf den Weg macht, die Einsatzmöglichkeiten von KI im eigenen Umfeld zu erkunden, der kann eine komplexe Umgestaltung nicht wegdelegieren. Wir empfehlen, im Unternehmen die Fachabteilung, IT-Abteilung, Rechtsabteilung, Geschäftsleitung und den Betriebsrat einzubeziehen und sich, falls nötig, externe Hilfe zu suchen. Wichtig ist, nicht nur Themen, wie beispielsweise Interoperabilitätslücken anzugehen (dass verschiedene IT-Systeme nicht gut zusammenarbeiten), sondern wirklich etwas Neues zu gestalten.
2. Interdisziplinäres Co-Design
Am besten werden Forschungsinstitutionen, Entwicklungsdienstleister, Betriebe und Arbeitnehmer:innen in einem partizipativen Design-Prozess miteinander aktiv. Dabei müssen die Betroffenen, also die Nutzer:innen, im Mittelpunkt stehen und aktiv in die Diskussion mit eingebunden werden – und zwar bestenfalls direkt und nicht nur über Stellvertreter:innen wie z. B. den Betriebsrat. Dieser Ansatz trägt dazu bei, dass das Wissen über die tatsächlichen Prozesse und Inhalte der Anwendung in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam in das KI-System zu implementieren und erste Ideen vielleicht sogar als Papierprototyp mit den Menschen zurückzukoppeln, die es am Ende betrifft.
Im Prozess kann man sich von den folgenden Punkten leiten lassen:
2.1 Anforderungen
Es muss klar sein, ob es sich um die Optimierung existierender Prozesse oder um ein neues Geschäftsmodell handelt und welche Anforderungen genau an das KI-System gestellt werden. Was einfach klingt, wird in vielen Projekten nicht beantwortet.
2.2 Datenlage
Sehr viele gute Ideen scheitern aktuell in der Praxis daran, dass die Daten nicht vorhanden sind und auch nicht erhoben werden können – hierbei kann es um Messdaten oder auch Kommunikationsmitschnitte z. B. aus Kundenkommunikation gehen. Es gibt aber auch KI-Systeme, die mit weniger Daten auskommen. Datenschutz sollte kein Grund dafür sein, das Thema Datenlage nicht anzugehen.
2.3 Qualitätsmaße
Wenn wir wissen, was am Schluss verbessert werden soll, brauchen wir Messinstrumente. Hier geht es insbesondere darum, nicht nur das technische Subsystem zu messen (bringen die Algorithmen auch die erforderlichen Ergebnisse?), sondern ob auch die Anwendung durch die Endnutzer:innen und in der gesamten Organisation funktioniert. Dazu gehört auch die Arbeitszufriedenheit. Hierzu gibt es ausführlich erforschte Messmethoden.
2.4 Umstellungsprozess
Das Digitale ist fast immer unfertig. Der Blick über herkömmliche Vorgehensweisen zu agilen, iterativen Methoden oder Designmethoden der nutzerzentrierten Technologiegestaltung hilft, hier das richtige Vorgehen zu identifizieren, so dass in jedem Moment die bestmögliche Gesamtlösung gefunden wird.
2.5 Experimentierräume
Systeme müssen erst in verschiedenen Prototypen entwickelt und zu praxisnahen Rahmenbedingungen ausprobiert werden. Die Empfehlung ist, mit Pilot- oder Vorprojekten sowie Minimal Viable Products (nur teilweise fertiggestellte Produkt-Prototypen) zu arbeiten, um das komplexe System und insbesondere das Feedback der Arbeitnehmer:innen, die dann täglich damit arbeiten sollen, aufzunehmen.
Wenn diese Punkte in der Breite angewendet werden, besteht die Hoffnung, dass die zuvor genannten Widersprüche ein Thema der Vergangenheit geworden sind und die Maschinen mit uns „gute Arbeit“ leisten.
Hierbei geht es insbesondere darum, dass die Praxis-Ebene der Betriebe den Gestaltungsauftrag aktiv annimmt und in einen partizipativen Gestaltungsprozess eintritt. Hilfreich dabei könnten Experimentierfelder, Vorprojekte und Piloten sein, die sich iterativ aus Synergien zwischen Theorie und Praxis einem optimalen Zielzustand annähern.
Literatur
1. Denkfabrik BMAS KI-Observatorium (2021). Demokratische Technikgestaltung in der digitalen Transformation. Impulspapier zum Fachdialog „MTI – Arbeiten mit Künstlicher Intelligenz”
2. PricewaterhouseCoopers (2018). Künstliche Intelligenz als Innovationsbeschleuniger im Unternehmen – Zuversicht und Vertrauen in Künstliche Intelligenz
3. Jansen S & Pieters M (2017). The 7 principles of complete co-creation. Bis Publishers, Amsterdam
4. Schubotz D (2019). Participatory Research: Why and how to involve people in research. SAGE Publications Limited
5. Burchardt A & Aschenbrenner D (2022). “Praxisleitfaden KI = Kollaborativ und Interdisziplinär,” Springer Books, in: Inka Knappertsbusch & Kai Gondlach (ed.), Arbeitswelt und KI 2030, S. 11-19, Springer.
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