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Wichtige FAQs von KMU: Stolpersteine, Daten und Kosten von KI-Projekten

25.12.2022
Lesezeit: ca. 7 min
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1. Wo kann KI mir helfen (als Steuerberaterin/Pfleger/Bäckerin/Zahnarzt etc.)?

Diese Frage folgt oft der Annahme, es gäbe eine Super-KI, die ich mir ins Büro oder in die Werkstatt stellen kann und die dann beliebige Aufgaben übernehmen kann. Tatsächlich muss man die heutigen, sogenannten schwachen KI-Systeme immer für bestimmte Aufgaben konzipieren und entwickeln. Am besten dreht man die Frage sofort um und fragt sich: Welche Aufgaben sind in meinem Arbeitsumfeld so (monoton/zeitaufwändig/unangenehm/stauanfällig etc.), dass ich sie gerne an ein KI-System abgeben würde. Davon ausgehend kann man einen soziotechnischen Prozess definieren, in dem Menschen und Maschinen sich so ergänzen, dass man die “lästigen” Aufgaben idealer Weise los ist oder nur noch stichprobenartig oder in Zweifelsfällen eingreifen muss.

2. Was sind typische Stolpersteine in KI-Projekten

Oft ist die Digitalisierung noch nicht abgeschlossen und es fehlt schlicht an Daten. Damit verbunden ist meist die interdisziplinäre Arbeitsweise noch nicht eingeübt, bei der Fachabteilung, Geschäftsleitung, Rechtsabteilung und andere Akteure gemeinsam an Lösungen erarbeiten. Wenn das KI-Projekt gestartet wird, fehlen oftmals noch die Zielvorgaben und damit verbunden Key-Performance-Indicator (KPIs), d.h. Kennzahlen, an denen der Fortschritt hinsichtlich wichtiger Zielsetzungen innerhalb eines Unternehmens gemessen werden kann. Meist fehlt es auch an internernen Personalressourcen, die das KI-Projekt unterstützen können und häufig werden bewährte Standard-Prozeduren ignoriert wie beispielsweise Cross Industry Standard Process for Data Mining (CRISP DM), sprich ein EU-gefördertes, branchenübergreifendes Standardmodell für Data Mining, das verschiedene Prozessphasen umfasst. In dieser Phase kommt es leider auch häufig zu einer zu frühen Festlegung auf einen Anbieter und dessen Technologien (vendor lock-in). Ein dritter Aspekt betrifft das Change- und Erwartungsmanagement. Oft fehlt das Business-Modell für die Erprobungsphase und auch ein quantifizierbarer Return on Investment (ROI), d.h. eine Rechengröße, die aussagt, wann sich eine Investition bezahlt gemacht hat.

Um diese Stolpersteine zu umgehen, sollte man von Anfang an eine belastbare KI- und Datenstrategie aufstellen, die dann agil mit dem Fortschreiten des Projektes “mitwachsen” kann.

3. Wie viele Daten benötigen KI-Systeme?

Es gibt wissensbasierte KI-Systeme wie z.B. Chatbots oder bestimmte Empfehlungssysteme, die durch Experten “modelliert”, also gar nicht auf Daten trainiert werden. Echtdaten werden in diesen Fällen zur Validierung benutzt, eine umfassende Datensammlung ist hier nicht erforderlich. Häufig allerdings basieren KI-Systeme auf maschinellem Lernen, z.B. auf statistischen Methoden oder neuronalen Netzen. Als Faustregel kann man sagen: Je strukturierter und homogener die Daten im Training (und im Betrieb) sind, desto weniger Trainingsdaten braucht man. Eine einfache Steuerung mit wenigen Faktoren kann man aus ein paar Hundert Beispielen Lernen, das Übersetzen von Texten von einer Sprache in eine andere erfordert eher zehntausende übersetzter Sätze als Training. In einigen Fällen kann man auf vortrainierte Modelle zurückgreifen, sogenannte Foundational-Modelle. Diese kann man dann mit einigen hunderten und teilweise sogar nur mit einzelnen Beispielen auf die gewünschte Funktionalität anpassen.

4. Was kostet ein KI-Projekt?

KI-Projekte sind in der Regel kein reiner Einkauf, sondern enthalten meist noch Anpassungs- und Entwicklungsbedarf. Je nach Anwendungsfall ist sogar noch Forschung nötig. Sie lassen sich nicht beliebig klein skalieren, da sie entweder auf Wissen oder auf Daten aufbauen, typischer Weise auf beides. Das heißt, man kommt selbst bei einem Piloten nicht umhin, sich Prozesse, Benutzerschnittstellen, Datenverfügbarkeit und -qualität und die gewünschte Funktionalität anzuschauen. Mit einem kleinen fünfstelligen Betrag und einer Laufzeit von ein bis drei Monaten sollte man bei einem Pilotprojekt rechnen. Da oft am Anfang gar keine Spezifikation vorliegt, ist eine bewährte Methode, im Piloten eine Roadmap zu erzeugen, die dann den Rahmen des eigentlichen Projektes abgesteckt u.a. die benötigte Expertise, Daten, etc.  Auf dieser Basis können dann z.B. Drittmittel akquiriert oder Investoren angesprochen werden.

5. ROI von KI

Die Berechnung des ROI für KI-Projekte ist ganz ähnlich zu herkömmlichen IT-Projekten. Letztlich geht es immer um die Frage: Innerhalb welches Zeitraums amortisiert sich das Investment und wie hoch sind zukünftige Gewinne/Einsparungen. Der Unterschied bei KI-Projekten liegt in dem Bereich der Daten bzw. der Wissensquellen: Die inhaltliche Performanz von KI-Systemen hängt im Wesentlichen von diesen Faktoren ab und häufig ist es schwierig, das Resultat von vornherein abzuschätzen. De facto ist das Risiko einer ROI-Berechnung also durch diese Einflussfaktoren erhöht, kann allerdings durch eine gute Daten- bzw. Wissensstrategie gemindert werden. Eine echte Quantifizierung ist also ebenso wie bei herkömmlichen IT-Projekten möglich, die Varianz kann je Aufgabenstellung etwas höher ausfallen.

Autor
Dr. Aljoscha Burchardt

Dr. Aljoscha Burchardt ist Principal Researcher und stellvertretender Standort­sprecher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Berlin. Er ist Experte für Sprach­techno­logie und Künstliche Intelligenz. Burchardt ist Senior Research Fellow des Weizenbaum-Institutes für die vernetzte Gesellschaft und stell­ver­tre­ten­der Vorsitzender der Berliner Wissenschaftlichen Ge­sell­schaft. Außerdem war er als Sachverständiger Mitglied der Enquete-Kommission “Künstliche Intelligenz” des Deutschen Bundestages.

Dr. Aljoscha Burchardt
Autorin
Charlene Röhl

Seit Oktober 2020 arbeitet Charlene Röhl als Researcherin im Forschungsbereich Speech and Language Technology (SLT) unter der Leitung von Sebastian Möller, am DFKI Berlin. In ihrer Position als Researcherin und Projektmanagerin im Projekt Evalitech forschte Charlene an der Entwicklung einer innovationsorientierten Evaluationsmetrik für den Bereich Industrie 4.0 auf Basis von Methoden Künstlicher Intelligenz, wie z. B. Information Retrieval und Informationsextraktion.

Charlene Röhl
Autor
Dr. Sven Schmeier

Dr. Sven Schmeier ist Chefingenieur und stellvertretender Leiter des Speech & Language Technology Lab des DFKI. Er hat mehr als 30 nationale und internationale Projekte in Forschung und Industrie erfolgreich geleitet. Sven war und ist in der Gründungsphase von High-Tech-Unternehmen und Spin Offs des DFKI aktiv.

Dr. Sven Schmeier