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Wie können KI-basierte Technologien in der Logistik helfen?

12.09.2022
Lesezeit: ca. 7 min
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Was ist der Status quo?

Der geschäftsführende Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik Michael ten Hompel sieht den Einsatz KI-basierter Technologien als Schlüsselfaktor für den zukünftigen Erfolg von Logistikunternehmen:

„Die Potenziale für den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Logistik sind enorm und die Logistik wird die erste Branche sein, in der sich KI-Verfahren massenhaft durchsetzen.“

Aktuell ist die Leistungsfähigkeit der in der Logistik verwendeten Advanced Planning-Methoden oftmals nicht zufriedenstellend. Durch den Einsatz KI-basierter Verfahren wird das Modellieren komplexerer Zusammenhänge möglich.1

Welche Anwendungsgebiete gibt es?

Gemäß einer Expertenbefragung des Softwareunternehmens INFORM GmbH und Logistik aus dem Jahr 2018 werden die Bedarfsprognose und Absatzplanung als die wichtigsten Anwendungsbereiche für Methoden des Maschinellen Lernens in der Logistik gesehen. Darauf folgt die Transport- und Produktionsoptimierung.2

Mögliche Anwendungsszenarien in diesen Bereichen werden nachfolgend erläutert. Einen Gesamtüberblick über Anwendungsbereiche für Maschinelles Lernen in der Logistik bietet das vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik entwickelte Modell.

Abbildung 1: Anwendungsbereich für Maschinelles Lernen in der Logistik1

Bedarfs- und Absatzprognose: Im Bereich der Bedarfs- und Absatzprognose können Verfahren der Zeitreihenanalyse eingesetzt werden. Diese ermöglichen auf Basis verschiedener historischer Zeitreihen zu verschiedenen Merkmalen, wie vergangenen Bedarfs- und Absatzmengen und aktuellen Daten zu Wirtschaftskennzahlen oder Wirtschaftsberichten in Zeitungen, zukünftige Bedarfs- und Absatzmengen zu prognostizieren. Der Bedarf von Endprodukten sowie die Auslastung von Transportfahrzeugen, Arbeitsstationen oder Ein- und Entladestationen kann so besser vorhergesagt werden als durch konventionelle Modelle.1

Abbildung 2: Vergleich der realisierten und prognostizierten Absatzmenge (Quelle: Eigene Abbildung)

Transportoptimierung: Die Tourenplanung ist aufgrund der hohen Anzahl an möglichen Kombinationen ein komplexes Optimierungsproblem in der Logistik. Eine KI-Lösung kann genutzt werden, um den Tourenplanern Entscheidungsvorschläge für mögliche Touren oder Gegenmaßnahmen bei Störungen zu geben. Hierfür werden neben unternehmensspezifischen Aspekten auch weitere Aspekte, wie beispielsweise die aktuelle Wetter- und Verkehrslage berücksichtigt. Dies ermöglicht es zum Beispiel auch, dem Betreiber eines Warenumschlagpunktes die Ankunftszeiten von Transportmitteln präziser vorherzusagen, und somit Staus an den Ein- und Entladestationen zu verringern. Ein weiterer Anwendungsfall wäre die Navigation von autonomen Transportsystemen in der Intralogistik. Beispielsweise kann eine KI-basierte Technologie zur Wahrnehmung der Umgebung eingesetzt werden, welche dann die Umgebungsobjekte in verschiedene Kategorien wie Mensch, Regale oder Paletten klassifizieren kann. Diese helfen dabei, die Kollisionswahrscheinlichkeit zu reduzieren.

Anwendungsbeispiel

Das mittelständische Großhandelsunternehmen Eisen-Fischer GmbH aus Nördlingen (Bayern) mit in etwa 450 Mitarbeiter:innen setzt in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS und den IT-Beratungen Trevisto AG und FIS Informationssysteme und Consulting GmbH ein Projekt zur Optimierung der Bestandsplanung um. Das Ziel ist es, Sicherheitsbestände besser festlegen zu können, indem die Unsicherheit einer Absatzprognose ermittelt wird. Bisherige Modelle prognostizieren lediglich Absatzmengen, ohne die Unsicherheit der Prognose zu quantifizieren. Infolgedessen bauen Disponenten häufig betriebswirtschaftlich nicht zweckmäßig hohe Lagerbestände auf, um unerwartete Schwankungen der Absatzmenge zu antizipieren. Zum Trainieren des KI-Modells wird ein KI-Verfahren des Überwachten Lernens eingesetzt. Neben Methoden der KI wird auch untersucht, inwiefern der Einsatz bestimmter moderner Statistikverfahren, sogenannter bayesianischer Modelle und Methoden der stochastischen Optimierung, sinnvoll ist.  Das Projekt startete am 01.09.2020 und hat eine voraussichtliche Projektdauer von 32 Monaten. Aus dem Projekt soll eine eigenständige Softwarelösung und eine in die ERP-Landschaft eingebettete Lösung entstehen, welche für andere kleine und mittelständische Handelsunternehmen einfach nutzbar ist.3

Quellenverzeichnis

1. Murrenhoff, A.; Friedrich, M. und Witthaut, M. (2021). Künstliche Intelligenz in der Logistik – Future Challenges in Logistic and Supply Chain Management [Whitepaper]. Fraunhofer IML.

2. INFORM GmbH (2018). Künstliche Intelligenz – Zukunftsträger der Logistik?

3. Kiener, B. (2021). Mithilfe Künstlicher Intelligenz Bestände optimal planen. MM Logistik, (2), 50-51.

Autor
Manuel A. Heid

Dieser Beitrag wurde von Manuel A. Heid verfasst. Er ist Researcher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und hat sich im Projekt Mittelstand-Digitalzentrum mit der Einführung KI-basierter Lösungen in Unternehmen beschäftigt sowie KMU auf dem Weg zum Einsatz dieser Lösungen im Bereich der optischen Qualitätskontrolle unterstützt.

Manuel A. Heid