Wissenspool-Beitrag

Besonderheiten des digitalen Wandels

15.09.2022
Lesezeit: ca. 8 min

Die Untersuchung im Tagebuchdesign wurde im August 2022 durchgeführt. Mit der Planung und Durchführung waren Prof. Dr. Hannes Zacher und M. Sc. Tobias Struck betraut.

Die Befragten nahmen zunächst an einer Erstbefragung, der sogenannten Baseline-Befragung teil. Anschließend wurden die Befragten über einen Zeitraum von zweimal fünf Tagen (zwei Wochen an den Werktagen, keine Befragung am Wochenende) zu weiteren Befragungswellen eingeladen. Die inhaltlichen Schwerpunkte lagen auf den Bereichen neue Arbeitsformen (insb. Homeoffice) und tägliches Arbeitsverhalten (z.B. Engagement und Begeisterung). Dabei wurden auch persönliche (Arbeits-)Einstellungen (z.B. Kündigungsabsichten), Gesundheit (z.B. Beschwerden und Erschöpfung) und Führung berücksichtigt, um die Konsequenzen des digitalen Wandels möglichst facettenreich beleuchten zu können.

Stichprobe

An der Baseline-Befragung beteiligten sich insgesamt 771 Erwerbstätige, von denen 715 (92.7%) vollzeiterwerbstätig waren. Das durchschnittliche Alter der Stichprobe betrug 47 Jahre (SD = 10.3) und 57.2% gaben an, männlichen Geschlechts zu sein (42.8% weiblich). Außerdem berichteten 96.5%, dass ihr derzeitiges vertragliches Arbeitsverhältnis unbefristet sei.

Mehrarbeit

Um einen Indikator für die Arbeitsbelastung und -einsatz zu haben, wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach ihrer vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit (in Std.) gefragt. Außerdem sollte die tatsächliche Anzahl der Wochenarbeitszeit (in Std.) angeben werden. Dabei wurde nicht näher darauf eingegangen, warum die Personen mehr oder weniger arbeiten (Vergütungsanreiz, Erwartungen, anfallende Aufgaben, …). Das resultierende Differenzmaß wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit in verschiedene Kategorien zusammengefasst: Personen, die so viele Stunden arbeiten wie vertraglich vereinbart, erhalten eine Differenz von Null, das trifft in der Erhebung auf 49.0% zu. „Etwas mehr“ (d.h. 1 – 4 Stunden Mehrarbeit) arbeiteten 30.0% der Befragten, „deutlich mehr“ (d.h. 5 – 9 Stunden Mehrarbeit) arbeiteten 11.9% der Befragten und „sehr viel mehr“ (d.h. 10 oder mehr Stunden Mehrarbeit) berichteten 6.4% der Befragten. Weniger als vereinbart, arbeitete kaum jemand; für alle drei Stufen zusammengenommen trat eine geringe Arbeitszeit als vereinbart nur bei 2.7% der Befragten auf. Eine detaillierte Darstellung findet sich dazu in Abbildung 1.

Anmerkung. N = 771 Beschäftigte; Menge der (absoluten) Abweichung „sehr viel“ entspricht Abweichung von > 10 Stunden., „deutlich“ entspricht Abweichung zwischen 5 und 9 Stunden, „etwas“ entspricht Abweichung zwischen 1 und 4 Stunden, „wie vertraglich festgelegt“ bedeutet Abweichungen von weniger als 1 Stunde.

Neue Arbeitsformen

Mit Zusammenhang mit der Digitalisierung und dem digitalen Wandel in Deutschland stellt sich auch die Frage nach der Verfügbarkeit und Nutzung von neuen Arbeitsformen, die Beschäftigten mehr Flexibilität ermöglichen sollen. In Bezug auf räumliche Flexibilität ist der Begriff „Homeoffice“ in den letzten Jahren zu einem geflügelten Begriff geworden. In der Stichprobe unserer Befragten gab es große Unterschiede in der Nutzung von Homeoffice. Gut 55% der Beschäftigten arbeitete überhaupt nicht im Homeoffice, während 8% einem Beruf nachgehen, dessen Arbeit ausschließlich im Homeoffice erledigt wird. Mehr als die Hälfte Ihrer Arbeitszeit verbringen etwa 20% der Befragten im Homeoffice, wohingegen 25% Zeit, aber nicht mehr als die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit im Homeoffice verbringt. Eine genauere Aufschlüsselung findet sich in Abbildung 2. Bei der Interpretation der Arbeit im Homeoffice sollte allerdings beachtet werden, dass in manchen Tätigkeiten eine Arbeit im Homeoffice gar nicht möglich ist. Die hier vorliegenden Ergebnisse spiegeln lediglich die Gesamtergebnisse aus einem großen Spektrum an Berufen und Tätigkeiten wider. Bemerkenswert ist aber in jedem Fall, dass sich hier vergleichbare Häufigkeiten finden, wie sie auch in anderen Untersuchungen berichtet werden. Der Trend, dass zumindest ein Teil der Arbeit im Homeoffice erledigt wird, scheint sich zu verfestigen.

Anmerkung
N = 771 Beschäftigte; Menge der (absoluten) Abweichung „sehr viel“ entspricht Abweichung von > 10 Stunden., „deutlich“ entspricht Abweichung zwischen 5 und 9 Stunden, „etwas“ entspricht Abweichung zwischen 1 und 4 Stunden, „wie vertraglich festgelegt“ bedeutet Abweichungen von weniger als 1 Stunde.

Fazit

Erste Analysen geben eine Einblick, dass Beschäftigte in gut der Hälfte aller Fälle von ihrer vertraglichen Arbeitsstundenanzahl abweichen. Dabei stellt insbesondere Mehrarbeit ein relativ weit verbreitetes Phänomen in Deutschland dar, teilweise sogar mit zweistelligen Stunden Mehrarbeit. Als ein zweites Ergebnis zeigt sich ein stabiler Anteil an Personen, welcher Teile der Arbeit oder sämtliche Arbeit im Homeoffice erledigt. Die erhobenen Daten werden jedoch noch fortlaufend ausgewertet, um unter Berücksichtigungen verschiedenster Einflussfaktoren auch Effekte auf Tagesebene und Entwicklungen im Wochenverlauf abbilden zu können.

Autor
M. Sc. Tobias Struck

Universität Leipzig
Arbeits- und Organisationspsychologie
Neumarkt 9-19
04109 Leipzig

Autor
Prof. Dr. Hannes Zacher

Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie

Universität Leipzig
Arbeits- und Organisationspsychologie
Neumarkt 9-19
04109 Leipzig