Die vierte industrielle Revolution, oder: Industrie 4.0
Die Revolutionen der Industrie
Die industrielle Wirtschaft durchlebt seine mittlerweile vierte Revolution. Nach der Einführung mechanischer Produktionsanlagen unter Einsatz von Wasser- und Dampfkrafttechnologien (Erste industrielle Revolution, etwa um 1784 mit der Erfindung des mechanischen Webstuhls), der Herausbildung einer arbeitsteiligen Massenproduktion und der Nutzung elektrischer Energie (Zweite industrielle Revolution, etwa um 1870 mit der Entwicklung des Fließbands), kennzeichnete die 3. Revolution den Einsatz von Elektronik und Informationstechnologie zur weiteren Automatisierung der Produktion. (DFKI 2011)
In der Industrie 4.0 arbeiten Menschen, Maschinen und IT-Systeme zusammen und es entstehen selbstorganisierte, in Echtzeit kommunizierende und unternehmensumspannende Wertschöpfungsnetzwerke.
Die vierte Revolution schließt sich an und wird häufig unter dem Begriff „Industrie 4.0“, als dieser Begriff im Jahr 2011 auf der Hannover Messe verwendet wurde (Bertschek et al. 2015: 15). Die Industrie 4.0 basiert auf der (Weiter-)Entwicklung und Verbreitung von vernetzten und kommunizierenden Systemen mittels Internettechnologien.
Treiber der Entwicklung zur Industrie 4.0 war die weiterhin ansteigende Digitalisierung und Technisierung der Wirtschaft, die große Auswirkungen auf Prozesse und Arbeitsweisen vor allem im produzierenden Gewerbe hatte.
Da es sich um einen relativ neuen Begriff handelt und die Gesamtentwicklung, auf den sich der Begriff Industrie 4.0 bezieht, noch nicht abgeschlossen zu sein scheint, gibt es bisher keine einheitliche Definition. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht, verbirgt sich hinter Industrie 4.0 die Zielstellung, Dienstleistungen, Produktionsprozesse und Produkte mithilfe moderner Technologien zu optimieren und stetig weiterzuentwickeln (Schuh et al. 2018: 6). Insbesondere wird dabei eine Vernetzung der industriellen Infrastruktur mit allen Akteuren, Prozessen und Strukturen der Wertschöpfungskette forciert, um weitestgehend selbstorganisierte Prozesse, v. a. in der Produktion und der Logistik, zu ermöglichen (Obermaier 2019: 3). Zudem wird erwartet, dass Produktionsprozesse und Abläufe in der Logistik effizienter und flexibel gestaltet werden können (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2015: 9-12).
Im Ergebnis der Bestrebungen hin zur Industrie 4.0 arbeiten Menschen, Maschinen und IT-Systeme zusammen und es entstehen selbstorganisierte, unternehmensumspannende Wertschöpfungsnetzwerke.
Grundlage dieser Vernetzung sind intelligente und mittels digitaler Technologien vernetzte Systeme aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Strukturen und Prozesse. Dies ermöglicht eine Echtzeit-Verfügbarkeit aller benötigten Informationen, um den Wertschöpfungsprozess optimal abzuleiten und auf Veränderungen flexibel zu reagieren.
Technologiebereiche der Industrie 4.0
- Unterteilung in fünf relevante Technologiebereiche
- Cloud Computing
- Cyber-physische Systeme
- Big Data
- Smart Factory
- Internet der Dinge
- Cloud Computing:
- Nutzung von IT-Serviceleistungen, sogenannte Cloud Services, die in Echtzeit über das Internet zur Verfügung gestellt wird
- Dadurch bedarfsgerechte und flexible Nutzung; betriebswirtschaftlich interessant, da hier eine Verschiebung von Investitionen in betriebsaufwand stattfindet
- Cloud Services – Unterteilung:
- Infrastructure as a service
- Platform as a service
- Software as a service
- In den kommenden Jahren wird ein Wachstum für die Nutzung von Cloud Computing von bis zu 30 Prozenz erwartet; Unternehmen profitieren dabei von der Geschwindigkeit und Effizienz im Marktzugang (Münzl et al. 2009: 9f.)
- Cyber-physisches System
- als cyber-physisches System (CPS) wird eine Kombination aus einem physischen Produkt und einem digitalen System verstanden (Wegener 2019: 73f.) mit einer cloudbasierten Grundlage für Bereitstellung von Infrastruktur und Rechenleistung sowie Vernetzung der Einheiten zum Informationsaustausch
- Big Data
- Sammlung, Analyse und Aufbereitung von Daten (sowohl strukturiert als auch unstrukturiert); diese Daten können Entscheidungsgrundlagen im Unternehmen genutzt werden; auch: zur Verbesserung von Wertschöpfungsprozessen, Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Dienstleistungen oder Services
- Smart Factory
- dezentrale, selbstorganisierte Produktion
- Maschinen kommunizieren miteinander; mittels Machine-Learning lernen sie voneinander;
- Reduzierte Durchlaufzeiten und kürzere Lagerbestande -> Optimierung des Einsatzes von Ressourcen (Bauer, Horváth 2015: 515ff.)
- Internet der Dinge
- Verschmelzung von physischen Produkten und digitalen Services zu einer hybriden Lösung
- Somit können auch Gegenstände und Services miteinander kommunizieren
- Durch das Internet der Dinge wird die traditionelle Wertschöpfungskette zu einem komplexen Wertschöpfungsnetzwerk transformiert (Krempf 2018: 177f.)
Literaturübersicht
Auer, J. (2018): Industrie 4.0 – Digitalisierung mildert demographische Lasten. Frankfurt am Main, DB Research Management
Bauer, W.; Horváth, P. (2015). Industrie 4.0 – Volkswirtschaftliches Potenzial für Deutschland. Controlling – Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung.
Becker, W.; Ulrich, P.; Botzkowski, T. (2017): Industrie 4.0 im Mittelstand – Best Practices und Implikationen für KMU. Springer Fachmedien, Wiesbaden.
Becker, W.; Ulrich, P.; Botzkowski, T. (2019): Industrie 4.0 im Mittelstand – Handlungspotenziale und Umsetzung. In: Obermaier, R. (Hrsg). Handbuch Industrie 4.0 und Digitale Transformation. Betriebswirtschaftliche, technische und rechtliche Herausforderungen. Springer Fachmedien, Wiesbaden.
Bertschek, I.; Reiner, C.; Buhr, D.; Hirsch-Kreinsen, H.; Falck, O.; Heimisch, A.; Jacob-Puchalksa, A.; Mazat, A. (2015): Industrie 4.0: Digitale Wirtschaft – Herausforderung und Chance für Unternehmen und Arbeitswelt. Ifo Schnelldienst
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015): Industrie 4.0 und Digitale Wirtschaft. PRpetuum GmbH, Berlin.
Franken, S.; Prädikow, L.; Vandieken, M. (2019). Fit für Industrie 4.0? – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung im Rahmen des Forschungsprojektes „Fit für Industrie 4.0“. Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung, Düsseldorf.
Hirsch-Kreinsen, H.; Ittermann, P.; Falkenberg, J. (2019): Industrie 4.0 und digitalisierte Einfacharbeit. In: Hirsch-Kreinsen, H.; Ittermann, P.; Falkenberg, J. (Hrsg.). Szenarien digitalisierter Einfacharbeit. Konzeptionelle Überlegungen und empirische Befunde aus Produktion und Logistik. Nomos, Baden-Baden.
Kempf, D. (2018). Digitale Transformation der Industrie – besser leben mit dem Internet der Dinge. In: Bär, C.; Grädler, T.; Mayr, R. (Hrsg.).Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht. Springer, Berlin.
Münzl, G.; Przywara, B.; Reti, M.; Schäfer, J.; Sondermann, K.; Weber, M.; Wilker, A. (2009). Cloud Computing – Evolution in der Technik, Revolution im Business. BITKOM-Leitfaden. Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V., Berlin.
Obermaier, R. (2019): Industrie 4.0 und Digitale Transformation als unternehmerische Gestaltungsaufgabe. In: Obermaier, R. (Hrsg). Handbuch Industrie 4.0 und Digitale Transformation. Betriebswirtschaftliche, technische und rechtliche Herausforderungen. Springer Fachmedien, Wiesbaden.
Plattform Industrie 4.0 (2020a): Chancen durch Industrie 4.0. Von smarten Objekten und vernetzten Maschinen zurück zum Menschen. URL: https://www.plattform-i40.de/PI40/Redaktion/DE/Standardartikel/chancen-durch-industrie-40.html
Plattform Industrie 4.0 (2020b): Was ist Industrie 4.0? Menschen, Maschinen und Produkte sind miteinander vernetzt: die vierte industrielle Revolution hat begonnen. URL: https://www.plattform-i40.de/PI40/Navigation/DE/Industrie40/WasIndustrie40/was-ist-industrie-40.html
Schuh, G. (2018): Industrie 4.0: Implement it! Leitfaden, Aachen. Werkzeugmaschinenlabor WZL der Rheinischen-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.
Wegener, D. (2019): Industrie 4.0 – wie die Digitalisierung die Produktionskette revolutioniert. In: Obermaier, R. (Hrsg). Handbuch Industrie 4.0 und Digitale Transformation. Betriebswirtschaftliche, technische und rechtliche Herausforderungen. Springer Fachmedien, Wiesbaden.