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Wissenspool-Beitrag

Wie bringen wir KI menschzentriert auf den betrieblichen Hallenboden?

Ergebnispapier des Vernetzungstreffens der Zukunftszentren vom 15.05.2024
24.07.2024
Lesezeit: ca. 39 min
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6 Zukunftsthesen

Dieser Text entstand im Rahmen des 3. Vernetzungstreffens der Zukunftszentren am 15.05.2024 in Darmstadt. Unter dem Titel: „Wie bringen wir KI auf den betrieblichen Hallenboden?“ wurden dort im Rahmen eines World Cafés Thesen zu Aspekten der beraterischen Praxis in den Zukunftszentren aufgestellt und diskutiert.

Mit welchen praktischen Herausforderungen sind die Beraterinnen der Zukunftszentren in den KMU konfrontiert, wenn sie KI menschzentriert einführen möchten? Wie gehen sie mit diesen Herausforde- rungen beraterisch um? Die Grundlage des Dokuments sind die Mitschriften der Protokollantinnen an den Thesentischen, die auf folgende Aspekte eingingen:

  1. Wie können wir unsere Angebote so platzieren, dass Unternehmen mit uns zusam-
    menarbeiten? (Unternehmensaufschluss)
  2. Wie gestalten wir die Arbeit mit den Unternehmen? (Intervention)
  3. Welche Wirkungen werden im Betrieb erzielt bzw. welche Veränderungen werden
    durch unsere Interventionen angestoßen? (Wirksamkeitsnachweis)

Nach diesem Muster sind auch die Unterkapitel der 6 Thesen im Dokument strukturiert. Das Dokument kann als Handreichung für neue Berater*innen in den Zukunftszentren dienen. Sie können sich hier im Onboarding-Prozess erste Eindrücke von der Arbeit der Zukunftszentren verschaffen und haben direkte Erkenntnisse. Für alle anderen ist es eine Darstellung des Status Quo zur KI-Beratungsarbeit in den Zukunftszentren.

Die richtige Balance ist bei der Einführung von KI entscheidend: Schulungen und Erklärungen müssen an die Bedarfe der Zielgruppe angepasst werden. Nur so kann eine praxisorientierte und verständliche Einführung gewährleistet werden. Dabei ist aufgrund der Datenorientierung von KI-Verfahren das Thema Datenschutz wesentlich. Dieses und weitere gesetzlich vorgeschriebene Leistungs- und Verhaltenskontrollen müssen beachtet werden, was durch die Schulung eines Betriebsrates – falls vorhanden – unterstützt werden kann.

1.1 Unternehmensaufschluss durch praktische KI-Einführung

Relevant für die KI-Einführung ist die Berücksichtigung der Wertewelt der Mitarbeitenden, einschließlich ihrer Sorgen und Ängste. Bei der Einführung muss von unterschiedlichen Wissensständen bzw. Grundverständnissen ausgegangen werden. Nicht jeder hat Interesse an dem Hintergrundwissen zur Technologie. Theoretische Einführungen sind jedoch notwendig, um ein grundlegendes Verständnis beim Umgang mit Technik, Datenschutz und Ergebnisinterpretation zu gewährleisten, insbesondere darüber, welche Möglichkeiten und Grenzen das eingesetzte KI-Verfahren hat. (Im Prozess wird es zweifelsohne zu einer gewissen Entzauberung der Mathematik kommen.) Es ist wichtig zu vermitteln, was „KI“ kann, indem konkrete KI-Verfahren in Anwendungsbeispielen, wie Chatbots im Recruiting, Bilderkennung in der Qualitätssicherung oder Empfehlungsalgorithmen in der personalisierten Werbung erklärt werden. Auf diese Weise lässt sich aus Sicht der Mitarbeitenden eine kreative Atmosphäre schaffen, um Ideen für KI-Lösungen mit einem Mehrwert für das Unternehmen zu erzielen.

1.2 Strategien zur erfolgreichen Einführung von KI

Im ersten Schritt ist es notwendig, den Anwendungsfall im Unternehmen zu identifizieren und den Schmerzpunkt zu begreifen. Erst im zweiten Schritt soll über die Lösung nachgedacht werden. Dabei sollen die Technologie-Potentiale dem wirtschaftlichen Nutzen gegenübergestellt werden. Wenn die Wahl auf ein KI-Verfahren fällt, muss das notwendige Vorwissen im Unternehmen identifiziert werden. Für das Unternehmen stellt sich dabei die Frage, wie viel Zeit bei der KI-Einführung eingeplant werden kann. Theoretische Grundlagen (z. B. Hintergrundwissen, Leitfäden und Anleitungen) unterstützen den KI- Einführungsprozess und helfen Mitarbeitenden, die nötigen Kompetenzen zur Nutzung aufzubauen, bspw. was die Anwendung von geeigneten Software-Werkzeugen angeht. Kann der Kompetenzaufbau im Unternehmen nicht gestemmt werden, muss ein Partner mit entsprechender Expertise gesucht werden.

Es geht darum, jede Person im Unternehmen mitzunehmen. In diesem Sinne könnte der Zugang und die Akzeptanz der Mitarbeitenden beispielsweise durch ein verständliches Schulungsprogramm erleichtert werden. Technische Demonstratoren können hierzu beitragen und wichtige Überzeugungsarbeit leisten, da sie konkrete KI-Verfahren in der Anwendung zeigen. Praktische Anwendungsfälle und spezifische Probleme, die KI lösen kann, sollten dabei klar herausgestellt werden. Die langfristigen Auswirkungen müssen von Anfang an mitgedacht werden, da spätere Korrekturen oft schwierig sind. Einzelberatungen sind essenziell, um die spezifischen Prozesse des Unternehmens zu analysieren und zu optimieren. Unternehmensübergreifende Workshops bieten eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen und Wissen. Sie helfen dabei, kollektiv kreative Lösungen zu erarbeiten. Die Workshops können dazu beitragen, das Verständnis und die Akzeptanz von KI zu verbessern und die praktische Einführung zu unterstützen. Der gesamte Einführungsprozess sollte den Mitarbeitenden jedoch zusätzlich klar kommuniziert werden, um ihnen Orientierung zu geben und den Weg zur erfolgreichen Implementierung zu ebnen.

1.3 Wirksame Unterstützung besteht darin den KMU eigene Erfahrungen mit KI zu ermöglichen.

Die wirksamste Unterstützung für Unternehmen besteht darin, ihnen zu ermöglichen, eigene Erfahrungen mit KI zu sammeln. Auf dieser Grundlage können Mehrwerte am besten vermittelt werden. Dies beinhaltet das Ausprobieren von KI-Anwendungen in einem geschützten Raum (Erprobungsraum), wo Fehler gemacht und daraus gelernt werden kann, ohne dass negative Konsequenzen entstehen.
Lösungen sollten offen gestaltet werden, um Raum für Kreativität und individuelle Anpassungen zu lassen. Qualifizierung, Wissenstransfer und Management im Unternehmen sind ebenso essenziell.
Darüber hinaus ist es wichtig, die Mitarbeitenden darauf vorzubereiten, wie sich ihre Arbeit durch die Einführung von KI verändern wird. Durch praxisnahe Schulungen und kontinuierliche Unterstützung können sie lernen, die neuen Technologien effektiv einzusetzen und ihre Arbeitsweise entsprechend anzupassen. Letztlich regt die Einführung von KI zur Kreativität an und eröffnet neue Möglichkeiten, Prozesse zu überdenken und zu optimieren, was zu einer nachhaltigen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens führt.

Um in der KI-Beratung gemeinsam mit dem Unternehmen passgenaue Lösungen entwickeln zu können, ist ein methodisch kreatives Vorgehen von Vorteil. Technische Lösungen oder Expertenwissen sollten nicht sofort zum Einsatz kommen. Das heißt jedoch nicht, dass die Unternehmensansprache im Stile der “Bild-Zeitung” erfolgen sollte.

2.1 Aufschluss durch Bildzeitungstaktiken, weit weg vom Expert*innenwissen?!

Ein zentraler Aspekt beim Unternehmensaufschluss ist die Auswahl der richtigen Beraterinnen. Diese müssen als die geeigneten Partnerinnen am Tisch sitzen, um einen erfolgreichen Austausch zu gewährleisten. Sie fungieren als Türöffner in der Einstiegsphase! Best-Practice-Beispiele spielen eine wichtige Rolle, insbesondere im Peer-to-Peer-Kontext. Es ist jedoch entscheidend, nicht zu schnell mit ersten Ideen „vorzupreschen” und die Kund*innen mit KI-Lösungen zu überrollen. Der Ansatz sollte offen sein und auf ein ein genaues Verständnis des Bedarfes zielen. Nicht immer setzen KI- oder Digitalisie- rungslösungen zielführend an den Pain Points der Unternehmen an! Belehrungen mag niemand. Eine klare, manchmal auch einfache Kommunikation ist von entscheidender Bedeutung, um Unternehmen für komplexe KI-Themen zu sensibilisieren:

Wie schafft man es, dass die Kommunikation einfach ist und sich an der Lebensrealität der angesprochenen Personen orientiert, aber eben nicht reißerisch ist oder Ängste schürt? Erreicht werden kann dies durch zielgruppenspezifische Ansprache, professionelle Nutzung von Social Media und das Arbeiten mit Bildern und Buzzwords. Die Nutzung von Social Media sollte darauf abzielen, die Zielgruppe dort anzusprechen, wo sie sich „aufhält“, und Emotionen auszulösen. Sprechstunden können angeboten werden, um Mehrwerte zu erzielen und Beispiele zu präsentieren.

2.2 Prozessbegleitung ist kreative Beziehungsarbeit

Während der Prozessbegleitung ist es wichtig, Beziehungsarbeit zu leisten und Vertrauen zum Unternehmen aufzubauen, auch wenn die Zeit knapp ist. Dies kann nur gelingen, wenn die Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt werden. Der Ansatz sollte dabei eher situativ und subjektorientiert sein. Es ist wichtig, einen Methodenkoffer mitzubringen, der auch kreative Ansätze wie zirkuläre Fragen, Perspektivwechsel u.ä. umfasst. Kreativität spielt eine wichtige Rolle bei der Lösungsfindung im Unternehmen, insbesondere, wenn es um die Einbindung und Abholung der Mitarbeitenden geht. Erzielt werden kann dies durch wertschätzendes Erkunden und Visualisieren, beispielsweise mit Lego Serious Play. Sowohl für Einsteiger als auch Fortgeschrittene sollten passgenaue Lösungen entwickelt werden, wobei Best Practices als Inspiration dienen können.

2.3 Erfassung des Reifegrads zu Beginn der Beratung hilft beim Wirksamkeitsnachweis

Es ist wichtig, sich vorab zu fragen, welche Wirkung eigentlich erzielt werden soll und dabei zu berücksichtigen, dass sich die Beurteilung je nach Person und Fall differenziert gestalten kann. Stichwort: „Erzähl mal!“ Jede Beratung hilft dabei, die Zielgruppe besser zu verstehen. Eine Möglichkeit, die Wirksamkeit zu messen, ist eine Umfrage vor und nach der Beratung, um den Reifegrad des Unternehmens zu erfassen. Die Unternehmen können diesen Input nutzen, um ihr Wissen zu erweitern und die Implementierung von KI voranzutreiben. Häufig entspricht die ehemalige Zielsetzung nicht der Wirkung. Kreativität spielt dabei eine wichtige Rolle, auch um passgenaue Lösungen zu finden. (Zu beach ten gilt es, dass kreative Methoden viel Arbeit bedeuten und nicht alle Personen oder Unternehmen dem aufgeschlossen gegenüberstehen.)

Das Thema KI macht die Beratungen interessant. Doch die Frage, ob KI ein Teammitglied sein kann, kann man nur klar verneinen. KI bleibt ein Tool. Nur Menschen können Teammitglieder sein. Das zeigt sich schon bei grundlegenden Fragen: „Wenn eine KI Entscheidungen treffen würde, wer ist dann für Konsequenzen verantwortlich?“ Zu diesem Thema begegnen uns im Beratungsprozess mit den KMU mindestens zwei Haltungen: Während sich die Mitarbeitenden eine Assistenz durch KI erhoffen, wollen Geschäftsleitungen oft noch Mitarbeitende durch KI ersetzen. Wie im Beratungsprozess damit umgehen?

3.1 KI-Kommunikation beim Erstkontakt: Ein Werkzeug ist kein Mensch – ein Mensch ist kein Werkzeug

Eine positive Sensibilisierung für KI ist ein essenzieller Aspekt, um bei den Unternehmen zu „landen“. Dies gilt besonders für kleinere Unternehmen, die hier oft noch abgeschreckt sind.
Noch einmal: KI kann kein eigenständiges Teammitglied werden, sondern ist lediglich Werkzeug oder Assistenz für den Menschen. Dementsprechend sollte auch mit den KMU kommuniziert werden. Es bleibt dabei: Die Verantwortung für Entscheidungen liegt bei den Menschen im Unternehmen. Ein Einstieg über Themen wie Pflege-Roboter kann hier in die falsche Richtung weisen. Um das Verständnis und die Akzeptanz für KI zu fördern, sollten konkrete Anwendungsfälle und niedrigschwellige Lösungen präsentiert werden, z. B. durch Demos auf Roadshows oder die Implementierung von Chatbots für werkspezifische Produkte. Es ist wichtig Einsatzfelder von KI zu zeigen, die einen bedeutenden Beitrag zur Unterstützung der Mitarbeitenden leisten, wie beispielsweise Spracherkennung in der Pflege oder Wissensmanagement-Systeme.

3.2 Effiziente Integration von KI als Assistenz und Werkzeug: Wie kann das gelingen?

Die Rolle der KI ist vorab klar zu definieren und die Integration in die Arbeitsgestaltung gezielt zu steuern. KI sollte primär als Assistenzsystem verstanden werden, das weniger als Kolleg*in und mehr als Werkzeug fungiert. In ihrer Funktion kann KI als Ideengeber, Sparringspartner, Dienstleister (für Videos), Dialogpartner (durch Sprachausgabe), Supervisor oder Fähigkeitsverstärker auftreten – nicht aber als Entscheider.
Unsere Aufgabe in den KMU besteht darin, den Prozess der Einführung von KI zu begleiten und die Anforderungen des Unternehmens zu erfassen. Dies umfasst die Unterstützung bei der Anbieterauswahl sowie eine umfassende Ist-Analyse, um den aktuellen Stand im Unternehmen zu ermitteln. Es ist essenziell, die Vorstellung von KI als Teammitglied zu vermeiden und stattdessen den Tool-Charakter hervorzuheben. KI ist nur so leistungsfähig wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird. Eine klare Kommunikation und transparente Prozessbegleitung sind entscheidend, um die Einführung von KI erfolgreich zu gestalten und die positiven Effekte für das Unternehmen zu maximieren.

3.3 Der Mensch bleibt „Entscheider“: Gelingt es uns, der Vermenschlichung der KI entgegenzuwirken?

KI kann vielfältige Aufgaben übernehmen und die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik verschieben, indem sie unliebsame Aufgaben erledigt. Es ist unsere Aufgabe, der Vermenschlichung von KI entgegenzuwirken und in diesem Punkt zu sensibilisieren. Wenn von KI als “Kollegin” gesprochen wird, sollte klar sein, dass sich dies auf die Erle- digung autonomer Entscheidungen und Aufgaben ohne menschliche Eigenschaften oder zwischenmenschliche Beziehungen bezieht. KI hat keine menschlichen Erfahrungswerte und kann auch keine echten sozialen Interaktionen führen. KI kann Beschäftigte entlasten, auch wenn diese Effekte oft erst später im Prozess sichtbar werden. Um eine nachhaltige Integration zu gewährleisten, sollten Unternehmen befähigt werden, KI eigenständig zu bewerten. Es ist wichtig, zu erkennen, dass die Wirksamkeit von KI nicht immer unmittelbar messbar ist und dass KI-Lösungen in wirtschaftlich schlechten Zeiten oft vernachlässigt werden. Beraterinnen sollten Impulse geben, die langfristige Effekte haben, und dabei realistisch bleiben, dass der volle Nutzen von KI erst mit der Zeit sichtbar wird.

KI fungiert in erster Linie als Assistenzsystem. Sie wird von Menschen entwickelt und benötigt vor allem fachspezifisches Wissen, um effektiv zu arbeiten. Das Know-how der Mitarbeitenden ist daher entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von KI-Lösungen. Eine Herabstufung der Mitarbeitenden muss unbedingt vermieden werden. Allerdings kann eine menschenähnliche Interaktion mit KI dazu beitragen, Berührungsängste abzubauen.

Für eine menschzentrierte Implementierung von KI ist die Betrachtung ethischer Aspekte unverzichtbar. Sie sind Erfolgsfaktoren der nachhaltigen Technologieeinführung. In der Beratungspraxis in KMU wird man jedoch damit konfrontiert, dass ethische Grundsätze als Risiken gesehen werden. Und ja, ethische Aspekte können bei der Einführung von KI zunächst überwältigend und abschreckend wirken. Ängste und Unwissen schwingen oft mit beim Umgang mit KI. Wird die KI meinen Job übernehmen? Entscheidet irgendwann ein Computer über den Wert einer Arbeitskraft und wird so die Facharbeiterin entwertet? Diese Fragen sind schon deswegen relevant, weil sie Unternehmerinnen und Belegschaften beschäftigen.

Wenn ethische Aspekte zum Gegenstand der Beratungen in den begleiteten KMU gemacht werden sollen, muss nur einer der äußerst zahlreichen Anknüpfungspunkte aufgenommen werden, die im Prozess der Einführung von KI offengelegt und diskutiert werden: Mangel an Führungskultur, Modelle der Zusammenarbeit, Regulation von KI (AI Act), Vertrauen im Unternehmen etc. Doch sollten dabei variierende Unternehmenskontexte und Branchenunterschiede bspw. in Bezug auf Offenheit und Transparenz berücksichtigt werden.

4.1 Ethische Aspekte von KI-Einführung ergeben sich bereits im Erstgespräch

Ethische Themen sind kein Aufschlussthema im Erstgespräch. Wenn man hier „mit der Tür ins Haus fällt“ kann es sein, dass man in Fettnäpfchen tritt oder sogar Ängste schürt. Da die KMU das Thema unterschiedlich gewichten können, empfiehlt sich hier Zurückhaltung. Eher wird es passieren, dass sich im Verlauf eines Erstgesprächs der Fokus zu ethischen Themen hin verschiebt, da er viele Konflikte in KMU konfundiert. Beispielsweise öffnet das Thema „Fachkräftemangel“ die Tür für das Thema Ethik und Mensch. Am Anfang der Beratung steht in der Regel ein Problem oder ein Verbesserungswunsch. Erste Aufschlusspunkte können bspw. Pain Points im Bereich der Ergonomie sein. Nach unserer Erfahrung werden ethische Aspekte im Prozess der Einführung offengelegt und werden so indirekt zu Themen der Beratung.

Wie kann ein Erprobungsraum für gute Arbeitsbedingungen eröffnet werden, in dem es Lern-gelegenheiten dafür gibt, dass ethische Grundsätze berücksichtigt werden können. Wie kann das Vertrauen der Mitarbeitenden gestärkt werden? Wie können potenzielle Risiken minimiert und eine nachhaltige Nutzung von KI-Technologien gewährleistet werden etc. Menschzentrierte Fragen bei der Einführung von KI könnten lauten: Wie können Arbeitsbedingungen an den Menschen angepasst werden? Wie kann die KI bestimmte Arbeitsbedingungen erleichtern? Wie kann die KI schwierige monotone Arbeitsschritte übernehmen? Mit Fokus auf das Unternehmen: Wie kann Effizienz im Kundenkontakt gesteigert und das Unternehmen wettbewerbsfähig gehalten werden?

Der Unternehmensaufschluss kann jedoch misslingen, wenn er über ethische Standards oder sogar Horror-Szenarien mit erhobenem Zeigefinger geschieht. Hier gibt es wesentlich attraktivere Optionen. Belehrungen haben oft keinen öffnenden, sondern im Gegenteil einen abschreckenden Effekt, der einem guten Erstkontakt entgegenwirkt. Erfolgversprechender ist es hier den Blickwinkel der Arbeitnehmer einzunehmen. Ethische Grundsätze sind keine „Risiken“, sondern die Basis für Entscheidungen.

4.2 Bei der Implementierung ethischer KI-Standards müssen branchenunabhängige Standards beachtet werden

Das aufgebrachte Verständnis für ethische Aspekte und die Offenheit ihrer Thematisierung kann sich von Branche zu Branche stark unterscheiden. Je nach Unternehmenskontext und den in der jeweiligen Branche dominierenden Herausforderungen und Gegebenheiten (z.B. Fachkräftemangel, die allgemeine Kultur und/oder Offenheit in Branche und Unternehmen), können in einer ersten Beratung ganz verschiedene Situationen zum Erfolg oder Misserfolg beitragen. Einige Bereiche sind bereits heute von nationalen oder supranationalen Regularien (wie z.B. dem EU AI Act) betroffen, das könnte im Unternehmen bereits mehr Bewusstsein für ethische Standards bei der Verwendung von KI hervorgebracht haben oder aber auch den Druck für die Implementierung bestimmter Standards erhöhen.

Doch bei allen Tools, die KI, Technik und Digitalisierung mit sich bringen, spielen ethische Aspekte eine Rolle. Während der Beratung kann auf ethische Aspekte einer Problemlösung aufmerksam gemacht werden. Hier ist ein ethischer Ansatz ein menschzentrierter Ansatz. Bei allem steht die Frage im Mittelpunkt: Was hat das mit dem einzelnen Mitarbeitenden zu tun? Wenn über KI aufgeklärt und auf die Risiken geschaut wird, geht es bereits um einen kritischen Umgang mit KI.

4.3 Wie können gemeinsam Regeln zum Umgang mit KI definiert und Zielgruppen verstanden werden?

Die Arbeitswelt ist oft eher von konkreten rechtlichen Vorgehensweisen und wirtschaftlichen Größen geleitet anstatt von ethischen Gedanken geprägt. Prinzipiell sind Ethik-Leitlinien ein praktisches Instrument. Doch was können die Zukunftszentren im Bereich der KI-Ethik (Wirksamkeit) leisten? Wirksamkeit ist vor allem möglich, wenn verschiedene Bereiche der KMU einbezogen werden: Mitarbeitende, Betriebsrat und Geschäftsleitung.

Das eine ist es über KI aufzuklären bzw. auf mögliche Risiken hinzuweisen, doch geht es eher um einen kritischen Umgang, um die Gefahren bspw. von Chat-GPT. Die zu beratenden Personen bestimmen dabei, wie der Prozess gestaltet wird: Je mehr Kenntnisse zur Zielgruppe erarbeitet werden, desto wahrscheinlicher ist ein guter Beratungsprozess. Mehrwerte können deutlich herausgearbeitet und Sorgen abgebaut werden. Die Verdeutlichung der Autonomie des Unternehmens, der Transparenz des Prozesses und die konkrete Darstellung von Anwendungsbeispielen und den anstehenden Schritten im Beratungsprozesses sind hier bedeutenden Faktoren.

KI lebt von Daten, doch ist ein vollständiger Datenschutz generell schwierig. Es stellt sich in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Frage: Was heißt verantwortungsbewusster Umgang? Schließlich ist Verantwortungsbewusstsein subjektiv und abhängig vom Wertesystem der Anbieter und Anwender. Auf der anderen Seite haben sich KMU oft bereits zur Einhaltung von Regelsystemen verpflichtet, um ihre Unternehmen beispielsweise ISO-zertifiziert zu führen. Doch oft entspricht es nicht den Zielen der Unternehmen, wenn unpraktikable Vorschriften Innovationsprozesse hemmen.

Ob personenbezogene Daten oder urheberrechtliche Ansprüche: Es geht darum Unsicherheiten ab- und Kompetenzen aufbauen!

5.1 Im Erstgespräch: Unsicherheiten abbauen, am Thema Sicherheit andocken

Das Thema Datenschutz eignet sich nicht unbedingt als Türöffner im Erstgespräch mit den Unternehmen. (Ein Fokus auf Technik ist anfänglich oft interessanter.) Doch sollten ihre Unsicherheiten zu diesem Thema „eingefangen“, d.h. ernst genommen, berücksichtigt und gegebenenfalls abgebaut werden. Datenschutz und Risiken können als Beratungsthemen eher zweitranging beim Thema Sicherheit andocken. Der AI-Act der EU als gesetzliche Pflicht kann hier Sicherheit schaffen. Selbstverpflichtende Werte- und Regelsysteme, wie ISO-Zertifizierungen können darauf aufbauen, um mögliche Gefahren zu benennen und Datenkompetenz zu schaffen.

5.2 Umgang mit Daten verstehen, um Daten sicher zu halten

In der Zusammenarbeit mit den KMU ist der Datenschutz ein begleitender Prozess, der mitgedacht werden muss. Hierbei ist es essentiell eine realistische Erwartungshaltung bei den KMU aufzubauen. Die RZ leisten KI-Beratung mit Schnittstellenkompetenzen, doch können sie keine explizite Rechtsberatung geben. Es geht darum für das Thema Datenschutz zu sensibilisieren und zu signalisieren, dass Medien- und Datenkompetenzen bei KMU-Mitarbeitenden notwendig sind, um Sicherheit aufzubauen. Die Förderung dieser Kompetenzen kann zu höherer Datensicherheit führen. (Beispielfrage in der Beratung: Mit welchen Datengrundlagen arbeitest Du?) Generell gilt hier: Das Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Daten ist subjektiv und hängt stark vom jeweiligen Wertesystem des KMU ab. Somit trägt die jeweilige Geschäftsführung die Verantwortung im Prozess und ist von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Kompetenzförderung.

5.3 Wie können wir einen Ausgleich im Spannungsfeld von Regeln und Innovation herstellen?

Es besteht ein Spannungsfeld zwischen Regeln und Innovationen. Die Benennung dieses Spannungsfeldes kann einen Weg zum individuell richtigen Umgang damit erleichtern. Die Schaffung eines Bewusstseins für datensicherheitsbezogene Themen kann zu wichtigen aufbauenden Fragen führen: Wie ist der Datenschutz mit den Zielen von Unternehmen zu vereinbaren? Mit welchen Datengrundlagen arbeitet das Unternehmen? Die Geschäftsführung trägt dabei die Verantwortung zur konsequenten Beantwortung dieser Fragen und dem Erfolg der Kompetenzentwicklung. Eine offene Sichtbeweise innerhalb der Beratung ist wichtig, um die subjektive- und vom Wertesystem abhängige Sichtweise im Thema Datenschutz innerhalb des gegeben gesetzlichen Rahmens der DSVGO und des EU-Acts zu sehen. Zudem ist es wichtig zu berücksichtigen, dass die Datenschutzaspekte der DSGVO nur dann Anwendung finden, wenn es sich um personenbezogene Daten handelt. Viele Daten im Unternehmen sind nicht schützenswert im Sinne der DSGVO.

Solo-selbstständige Unternehmerinnen sind in nahezu allen Branchen vertreten. Wie stark der Anpassungsdruck durch den Einsatz künstlicher Intelligenz ist, hängt u.a. vom Berufsfeld ab, in dem sie ihre Selbstständigkeit ausüben. Da Solo-Selbstständige allein für alle Geschäftsbereiche verantwortlich sind, müssen sie sich gegebenenfalls selbst das not- wendige Wissen zu KI aneignen und unter Umständen auch externe Qualifizierungsange- bote wahrnehmen. Andererseits kennen sie ihre eigenen Berufsfelder aufgrund der hohen Verantwortung meist sehr gut. Folglich ist für eine erfolgreiche Solo-Selbstständigkeit ein erhöhtes Maß von Eigenverantwortung, Flexibilität und Entscheidungsfähigkeit vonnöten. Das Risiko für ihren Erfolg tragen die Solo-Selbstständigen allein. Im Umgang mit den Herausforderungen rund um KI können auch die Persönlichkeit und Erfahrung der Unter- nehmerinnen auf ihren beruflichen Erfolg Einfluss nehmen.

Unternehmen scheinen sich Solo-Selbstständigen gegenüber weniger stark verpflichtet zu fühlen, dabei lastet auf den Kleinst-Unternehmen ein hoher Druck, der von wirtschaft licher Unsicherheit begleitet wird: Honorare durchsetzen, die wettbewerbsfähig sind und dabei keine Kartellgesetze verletzen. Alle Kosten allein decken, sich für den Notfall absichern und vieles mehr. Der Wunsch nach dauerhaftem Erfolg macht es häufig notwendig, sich neue Kompetenzen anzueignen, Grenzen in Verhandlungen mit Geschäftspartnerin- nen selbstbewusster zu ziehen und eine stabile Marktposition ggf. durch eine Anpassung und Ausweitung des eigenen Portfolios zu sichern. Hierzu könnte im KI-Kontext auch die Entwicklung von Premiumprodukten gehören.

KI birgt für Arbeitnehmerinnen und Solo-Selbstständige ähnliche Risken und Möglichkeiten – doch die Implikationen sind andere. Das fängt schon mit der Frage an, welche IT-/KI-Anwendung nutze ich? Es gibt für ein und dieselbe Aufgabe x Lösungen am Markt. Welche ist die passende, einfach zu bedienen und nicht zu teuer?

In Unternehmen organisiert der Arbeitgeber Schulungen für die Mitarbeiter*innen – Solo-Selbstständige müssen sich, neben ihrer Erwerbsarbeit, selbst um ihre Weiterentwicklung kümmern.

Zudem kann KI das Berufsfeld verändern: Aufgaben fallen weg, neue kommen hinzu – Geschäftsmodelle ändern sich. Während das in Unternehmen oftmals ausgeglichen werden kann, kann das Solo-Selbstständige schnell vor schwierige Existenzfragen stellen – sowohl was ihr Geschäftsmodell angeht, als auch hinsichtlich ihres Einkommens.

6.1 Solo-Selbstständige und ihre Bedarfe angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Nutzung von KI

Inwiefern Solo-Selbständige über das Thema KI ansprechbar sind, ist stark von ihrer Tätigkeit abhängig. Der Anpassungsdruck auf Solo-Selbstständige ist insbesondere in Branchen, die bereits stark digitalisiert sind, wie z.B. der Kreativ- und Wissensarbeit, hoch. Hier kommt aktuell generative KI besonders häufig zum Einsatz. Gleichermaßen stellt die KI auch eine Chance dar, neue Geschäftsmodelle zu erschließen und sich damit Wettbewerbsvorteile auf dem Markt zu sichern. Mögliche (neue oder auszubauende) Geschäftsmodelle können beispielsweise sein:

  • Prompt Engineering
  • Training von Daten
  • Lehren des Umgangs mit KI

6.2 Was können HdS und RZ voneinander lernen und wie können sie sich unterstützen?

Solo-Selbstständige und Kleinst-Unternehmen haben viele Gemeinsamkeiten, einige Handlungsstrategien lassen sich sicherlich übertragen.

In Zeiten sich schnell und häufig ändernder Trends kann eine gezielte Anpassung der Marketingstrategie notwendig sein. Dazu gehört auch, beispielsweise in Verhandlungen mit potenziellen Auftraggebenden, den Wert solo-selbstständiger Arbeit im Vergleich zu KI-Tools stärker herauszustellen und auf die Grenzen von KI hinzuweisen. Zudem kann KI als Unterstützung für die eigene Arbeit genutzt werden.

Dies alles setzt eines voraus: Wissen und die Bereitschaft, sich mit KI zu beschäftigen. Es besteht insbesondere Qualifizierungsbedarf hinsichtlich der Einschätzung des Potenzials von KI ebenso wie hinsichtlich der Frage, wo die Risiken liegen und wie die Ergebnisse der eingesetzten KI-Systeme auf ihre Qualität hin geprüft und gegebenenfalls modifiziert werden können.

KI wird sich in naher Zukunft weiter durchsetzen und auch Branchen erreichen, die bisher davon unberührt waren. Dies bedeutet, dass zunehmend mehr Solo-Selbstständige gezwungen sein werden, sich mit KI auseinanderzusetzen. Entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen können sie dabei unterstützen, beispielsweise durch Technikvorführungen, die konkrete Einsatzmöglichkeiten von KI erfahrbar machen, aber auch das Bewusstsein für KI und deren Grenzen schärfen. Dies gilt nicht nur für Solo-Selbstständige, sondern auch für KMU und damit das RZ-Umfeld insgesamt.

Durchführung von KI-Projekten – Eine Orientierung

Praktische Handlungsempfehlungen für erfolgreiche KI-Projekte

Wie fit ist Ihr Unternehmen für KI? Das Selbstanalyse-Werkzeug zum Entdecken von KI-Potential

Kommunikation in Veränderungsprozessen – Der Schlüssel zur erfolgreichen Einführung von Digitalisierung und KI  

Enorme Veränderungen durch KI: Beschäftigte müssen geschult werden

Methode zur partizipativen Einbindung von Betriebsratsmitgliedern bei der Einführung von KI

Erstellt vom Zentrum Zukunft der Arbeitswelt in Zusammenarbeit mit den Zukunftszentren
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Philippe Jacquemin

Sandra Jung

Helena Müller

Jonas Werheid

KI NRW

Dr. Oliver Fix

Martina Thomas

Dr. Sylke Lützenkirchen

Sarah Spieker

Alexander Eickhoff

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Kathy Ziegler

RZzKI

Marina Jentsch

Dominik Kaus

Isabelle Kirsch

Dr. Sönke Knoch

Delia Schröder

Moritz Wolf