Lieber Sven,
du bist Projektleiter (Bild, rechts außen) des Regionalen Zukunftszentrums pulsnetz – Mensch und Technik im Gemeinwesen (pulsnetz MuTiG). Euer Ziel ist es, die Digitalisierung im Gesundheits- und Sozialwesen für die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen voranzubringen. Das ist eine große Aufgabe und wir würden gerne mehr über eure Arbeit erfahren.
- Zu Deiner Person: Was ist deine berufliche Profession? Hast du selbst eine Ausbildung im Gesundheits- und Pflegebereich?
Ich bin Diplom-Betriebswirt (DH) und war für den praktischen Teil damals in einer Bank. Im Laufe der Zeit kamen verschiedene Tätigkeiten und Weiterbildungen dazu, unter anderem zehn Jahre als Qualitätsmanager in der Software-Industrie, sowie die Ausbildung zum Mediator. Es ist die Gesamtkombination aus all dem, mit der ich arbeite. Auch ohne eigene Ausbildung in der Gesundheitsbranche habe ich Einblicke: Meine Mutter war als Fachkraft in der Pflege tätig.
- Zu Deiner Aufgabe: Was begeistert dich an deiner aktuellen Tätigkeit bei pulsnetz MuTiG? Hast du eine persönliche Geschichte und/oder Mission?
Wie in vielen anderen Branchen auch, leidet die Pflege unter Personalmangel. Besonders tragisch ist es hier, dass hilfsbedürftige Menschen unmittelbar davon betroffen sind. Wenn wir es also schaffen, mit Digitalisierung auch nur zehn Minuten am Tag für die Pflegekraft zu sparen, ist das ein Gewinn!
Ich selbst bin ab und an ebenfalls in Beratungen dabei. Bereits den Menschen im Unternehmen einen Raum zu bieten, in dem sie sich gegenseitig zuhören, kann so viel bewirken und Dinge in Gang setzen: In einer Einrichtung wurde unmittelbar nach dem Analysegespräch bereits vorhandene Technik konsequent umgesetzt und eine Schulungsplattform mit modern aufbereiteten Inhalten (statt in PDF umgewandelter Präsentationsfolien) eingekauft.
- Teamgröße und Standort: Wie groß ist euer Team? Wo habt ihr euren Hauptsitz? Und wie schafft ihr es drei Bundesländer im Blick zu behalten?
Inklusive der Personen, die (nur) im Hintergrund unserer Partner mitwirken, sind wir 46 Menschen im Projekt. Der Hauptsitz ist in Karlsruhe. Wir haben den Vorteil, dass wir Partner in allen drei Bundesländern haben und so die Verantwortlichkeiten auch gut regional aufteilen können. Schon seit dem Vorgängerprojekt verstehen wir uns als eine Einheit, alle arbeiten allen zu, jede und jeder ist ansprechbar für spezifische Fragen. Vielleicht dürfen dankbar für die viele Online-Arbeit wegen Corona sein, virtuelle Zusammenarbeit ist ganz alltäglich.
- Unternehmensgeschichte: Hast du eine kurze Geschichte für unsere Leser*innen, die darstellt, warum gerade im Pflegebereich KI und Digitalisierung besondere transformative Potenziale entfalten können?
Die Einrichtungen sind unterschiedlich weit. Es gibt welche, die schon seit über zehn Jahren alles digitalisieren, was möglich ist. Andere Einrichtungsleitungen werden blass im Gesicht, wenn nur das Wort „Digitalisierung“ fällt. Doch egal, wie weit ein Unternehmen ist, die Branche steht mit der Einführung der Telematik Infrastruktur, also den elektronischen Austausch von Gesundheitsdaten (zum Beispiel die elektronische Patientenakte) in einem großen Umbruch. Das wird uns die kommenden Jahre noch sehr beschäftigen. Hinzu kommen noch gesellschaftlich relevante Themen, wie beispielsweise einen virtuellen Arztbesuch per Videocall. Das ist natürlich nicht immer möglich, ermöglicht aber einen Teil der Versorgung dort, wo bereits heute Mangel an ärztlicher Versorgung besteht. Wir müssen transformieren, es geht nicht anders. Wir brauchen hier sicherlich auch noch andere Strukturen, an denen die Politik arbeiten muss. Und auch ganz wichtig: Es ist möglich.
- Trainings: Ihr habt mittlerweile 3 Trainings entwickelt. Kannst du näher darauf eingehen, was das Besondere an den Trainings ist? Gibt es schon Planungen für weitere Trainings?
Unser Highlight ist nach wie vor der Truck der Digitalisierung – ein kleine Technikmesse auf vier Rädern, um mit den Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen, was bereits heute möglich ist. Einmal hörten wir von einem Teilnehmer den Kommentar: „Die Zukunft ist ja schon da.“ Das gibt vielen Mut und schafft Kontakt zur Technik.
Die weiteren Trainings gehen darauf ein, weitere Berührungsängste zu reduzieren und auch die Transformation angehen zu können. Ein kommender Schwerpunkt wird die bereits erwähnte Telematik Infrastruktur sein: Um sie herum wird es viel Veränderung geben, weil es hier nicht genügt, sich anzubinden, die Prozesse in der Einrichtung müssen dann ebenfalls darauf angepasst werden.
- Abschlussfrage: Was hast du durch deine Beratungen im Projekt für deine eigene Arbeit / für euer Projektteam mitnehmen dürfen bzw. gelernt?
Keine Technik ohne Menschen. Damit meine ich nicht nur, dass Menschen partizipativ in der Transformation mitgenommen werden müssen, sondern auch, dass trotz Technik der Mensch, der damit zu tun hat, bei uns also meist Pflegebedürftige, nicht aus dem Blick verloren gehen dürfen.
- Zusatzfrage: Wie können wir Altersdiversität in Beruf und Gesellschaft besser leben?
Einander Gehör schenken und akzeptieren, dass unterschiedliche Generationen verschiedene Prioritäten haben. In all dem, was anders ist, steckt immer auch ein Funken, der einen Lernprozess in Gang setzen kann, mindestens aber die Chance, sich besser zu verstehen. Das gilt für Altersdiversität genauso wie für jede andere Form der Diversität.
Vielen Dank Sven für das Interview!